Politik

Ehemalige Heimkinder wollen längere Meldefristen für Entschädigung

  • Mittwoch, 19. Juni 2019
Die Betroffenen Uwe Werner (v.l.), Thomas Frauendienst, Heike Finkenmeier und Heike Frisch berichteten im Düsseldorfer Landtag von ihren Misshandlungen. /dpa
Die Betroffenen Uwe Werner (v.l.), Thomas Frauendienst, Heike Finkenmeier und Heike Frisch berichteten im Düsseldorfer Landtag von ihren Misshandlungen. /dpa

Düsseldorf – Ehemalige Heimkinder und Menschen, die als Kinder Leid in Behin­der­ten- oder Psychiatrieeinrichtungen erfahren haben, wünschen sich längere Meldefris­ten für Entschädigungen. Die bis 31. Dezember 2020 vorgesehene Frist müsse ver­längert werden, mahnten Betroffene heute bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und den Kirchen im Landtag.

„Viele Menschen wissen noch gar nicht, dass sie Anträge stellen können“, sagte Tho­mas Frauendienst, der als Kleinkind in einer Behinderteneinrichtung fast verhungert wäre. Es dürfe „keine Haltelinie“ für die von Bund, Ländern und Kirchen gegründete Stiftung Anerkennung und Hilfe geben.

Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kirchen haben Gewalt- und Missbrauchsopfer in Psychiatrie- und Behinderteneinrichtungen der Nachkriegszeit um Verzeihung ge­beten. „Was mich beschämt, ist die Tatsache, dass der Staat sie nicht schützen konnte“, sagte Landtagspräsident Andre Kuper bei der Veranstaltung im Düsseldorfer Landtag. Nach Jahrzehnten des Schweigens müsse das Thema jetzt „in die Mitte unserer Gesellschaft“.

Im Landtag baten auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU), der Kardinal Rai­ner Maria Woelki und der Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen Lippe, Thomas Oelkers, in einer Gedenkstunde die Betroffenen für ihr jahrelang erlittenes Leid um Entschuldigung.

„Sie mussten unvorstellbare Gewalt erleiden, und wir haben Sie allein gelassen“, sag­te Laumann. Der Minister befürwortete eine Verlängerung der Entschädigungsfristen. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) habe sich dafür ausgesprochen. Aber auch die Kirchen und die anderen Bundesländer müssten sich positionieren.

Die 2017 gegründete Stiftung Anerkennung und Hilfe richtet sich an Menschen, die zwischen 1949 und 1975 in der Bundesrepublik und zwischen 1949 und 1990 in der DDR Leid erlitten haben. Die Stiftung ist mit 288 Millionen Euro ausgestattet.

Bundesweit sind nach Schätzungen knapp 100.000 Menschen betroffen. In Nordrhein-Westfalen haben sich nach Angaben der Landschaftsverbände bisher rund 3.550 Be­troffene an die Anlaufstellen gewandt. In 2.136 Fällen habe es Entschädigungs­zahlun­gen gegeben. Gezahlt wird eine einmalige Pauschale von 9.000 Euro.

Mehr als 800.000 Kinder und Jugendliche waren in der Nachkriegszeit in staatlichen und kirchlichen Heimen untergebracht, etwa 500.000 davon in konfessionellen Einrich­tungen. Laut Berichten herrschten zum Teil drastische Bedingungen, mit schweren Strafen, mangelhafter Betreuung und Zwang zur Arbeit.

dpa/kna

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