Eingeschränkte Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden ist ökonomisch unsinnig

Heidelberg – Der eingeschränkte Zugang zur medizinischen Versorgung für Asylsuchende ist nicht nur ethisch fragwürdig sondern auch ökonomisch verkehrt. Die jährlichen Pro-Kopf Ausgaben für die eingeschränkte medizinische Versorgung bei Asylsuchenden lagen in den vergangenen 20 Jahren (1994 bis 2013) um circa 40 Prozent und damit 376 Euro höher, als bei Asylsuchenden, die bereits einen regulären Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hatten. Das berichten Wissenschaftler der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg und der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld in der Zeitschrift PLoS One (doi:10.1371/ journal.pone.0131483).
Nur wenn Asylsuchende unter akuten Gesundheitsproblemen leiden, Schmerzen haben oder eine Behandlung unaufschiebbar ist, werden sie medizinisch behandelt. Erst nach längerem Aufenthalt in Deutschland – derzeit 15 Monate – können sie die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in vollem Umfang beanspruchen. So will es das Asylbewerberleistungsgesetz.
„Rationale, gesundheitswissenschaftliche Erkenntnisse und ethische Grundsätze müssen dringend stärker berücksichtigt werden“, fordert Kayvan Bozorgmehr, Autor der Publikation und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg.
Die Wissenschaftler haben repräsentative Daten des statistischen Bundesamtes der Jahre 1994 bis 2013 ausgewertet und kommen zu dem Ergebnis: Dürfen Asylsuchende ohne bürokratische Hürden und ohne Leistungseinschränkungen Regelversorger wie Allgemein-, Haus- und Kinderärzte aufsuchen, sind die Gesundheitsausgaben niedriger. Unter den Bedingungen eines gleichen Zugangs für alle Asylsuchenden hätten die Gesamtausgaben für die medizinische Versorgung der letzten 20 Jahre um circa 22 Prozent gesenkt werden können.
„Unsere Studie belegt, dass eine bundesweite Umsetzung des Bremer Modells – bei dem seit 2005 bürokratische Hürden zur Versorgung abgebaut wurden – nicht zwingend mit Mehrkosten verbunden sein muss“, betont der Ko-Autor Oliver Razum, Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. In Bremen und Hamburg erhalten Asylsuchende ohne Wartezeit eine Gesundheitskarte und damit besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung.
„Qualitativ gute, bedarfsgerechte und kostengünstige Versorgung ist vor allem durch integrierte, primärmedizinisch orientierte Systeme zu erreichen. Parallelsysteme hingegen sind teuer und ineffizient, vor allem wenn sie Teile der Bevölkerung von der Versorgung ausschließen“, so das Fazit der Studie.
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