Politik

Ersteinschätzung in der Notfallversorgung: G-BA klagt gegen Ministerium

  • Donnerstag, 5. Oktober 2023
Josef Hecken /Georg J. Lopata
Josef Hecken /Georg J. Lopata

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich in der heutigen Plenumssitzung darauf verständigt, juristische Schritte gegen die Beanstandung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an seinem Richtlinien­beschluss zur Ersteinschätzung in der stationären Notfallversorgung einzulegen.

Diese Entscheidung hatte der unparteiische Vorsitzende Josef Hecken schon bei der Sitzung am 21. September angekündigt. Das BMG hatte als Aufsichtsbehörde Kritik am G-BA-Beschluss vom 6. Juli 2023 geübt und ihn als „rechtswidrig“ eingestuft. Das entsprechende Schreiben traf beim G-BA zwei Tage vor Ende der Einspruchsfrist ein.

Die geplante Richtlinie des G-BA sollte qualitative, personelle sowie organisatorische Details für ein neues Verfahren im Umgang mit Hilfesuchenden in Notaufnahmen von Krankenhäusern regeln. Damit sollte auch der medizinische Bedarf erhoben und damit in die jeweiligen Versorgungsbereiche von ambulanter und stationärer Medizin weiterverwiesen werden.

Allerdings kann dieser Beschluss, zu dem der G-BA noch in der vergangenen Legislaturperiode von CDU und SPD aufgefordert wurde, nicht ohne die Bestätigung durch das Ministerium als Aufsichtsbehörde in Kraft treten. Der G-BA will nun vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eine Klage anstreben.

Aus Sicht des unparteiischen Vorsitzenden Hecken sind dabei gleich mehrere Punkte wichtig: „Erstens legt das BMG die Vorgaben zum Auftrag an den G-BA, ein Ersteinschätzungsverfahren bei Notfällen zu regeln, fehlerhaft aus“, heißt es in einer Pressemitteilung im Nachgang zur heutigen Plenumssitzung.

„Zweitens übt das BMG seinen aufsichtsrechtlichen Ermessensspielraum nicht oder fehlerhaft aus. Drittens sieht das BMG den G-BA fälschlicherweise in der Pflicht, Vergütungsfragen bei Krankenhausleistungen zu regeln“, so Hecken.

Denn für Vergütungsfragen sind einzelne Institutionen der Selbstverwaltung verantwortlich, zum Beispiel die Krankenkassen oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie für Fragen der Krankenhausfinanzierung auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

„Und viertens überschreitet das BMG seine aufsichtsrechtlichen Kompetenzen. Das BMG geht aus meiner Sicht weit über eine rechtliche Prüfung hinaus, wenn die fachlichen Lösungen des G-BA durch eigene fachliche Erwä­gungen und Beurteilungen ersetzt werden sollen“, resümiert Hecken weiter.

In dem Schreiben des BMG an den G-BA wurde auch festgestellt, die Regelungen würden die Patientensicher­heit gefährden. „Dafür sehe ich keinen inhaltlichen Bezug“, so Hecken. „Schon heute ist die Frage nach dem medizinischen Bedarf der Hilfesuchenden und damit nach der Dringlichkeit einer Behandlung für Mitarbeitende in Notaufnahmen leitend. Das Einordnen von Hilfesuchenden in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichem Behandlungsbeginn ist also etablierte und originäre ärztliche Aufgabe.“

Auch heute gebe es in den Krankenhäusern und in den Notfallaufnahmen ein Qualitätsmanagement mit gere­gelten Zuständigkeiten, organisierten Prozessen und Eskalationsinstanzen sowie einem etablierten Fehler­ma­nagement.

„Deshalb setzt das stufenweise Vorgehen, das in der Richtlinie für die Umsetzung des Ersteinschätzungsver­fah­rens vorgesehen ist, auf der derzeitigen Praxis in Krankenhäusern auf. Anders als das BMG meint, würde gerade der Verzicht auf die gestufte Einführung der verschiedenen Bausteine der Ersteinschätzung eine geordnete Um­setzung in die Abläufe der Krankenhäuser verhindern – und das würde dann tatsächlich zu einer nicht hinnehm­baren Gefährdung der Patientensicherheit führen.“

Rechtlich nicht haltbar ist für Hecken auch die Kritik des BMG, Hilfesuchende, die mit einem Rettungswagen zur Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht werden, seien vom Regelungsauftrag an den G-BA nicht umfasst.

„Der Rettungsdienst ist keine Behandlungsebene, sondern lediglich ein Instrument, um Patientinnen und Pa­tienten zur ärztlichen Behandlung zu bringen. Wenn 50 Prozent der Patientinnen und Patienten, die mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme kommen, diese wieder zu Fuß und ohne lebensbedrohliche Symptome ver­lassen können, wird klar, dass auch hier eine standardisierte und strukturierte fachliche Sicht geboten ist“, so Hecken.

Der Unparteiische hatte bereits angekündigt, besonders die Frage, wie weit eine Aufsichtsbehörde wie das BMG als Rechtsaufsicht in die Arbeit des G-BA eingreifen kann, bis zum Bundessozialgericht prüfen lassen zu wollen.

bee

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