G-BA-Vorsitzender Hecken plädiert für mehr Versorgungssteuerung

Mainz – Angesichts der „trostlosen Realität“ bei den Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) braucht es dringend Anpassungen beim Zugang und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Darauf wies Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), heute auf dem 128. Deutschen Ärztetag in Mainz hin.
Schon jetzt verzeichne man in der gesetzlichen Krankenversicherung einen historisch hohen Beitragssatz – mit steigender Tendenz. Der weiter wachsende Versorgungsbedarf und der medizinisch-technische Fortschritt mache die GKV-Finanzierung zunehmend schwierig, warnte Hecken. „Dies ist Realität.“
Die vorhandenen Versorgungskapazitäten müssten deshalb zielgerichteter eingesetzt werden. Dies betreffe insbesondere eine Steuerung des Zugangs sowohl zur Notfall- als auch zur Regelversorgung, so Hecken. Für funktionierende Steuerungsmodelle gebe es allerdings mehrere Voraussetzungen.
Dazu gehörten eine Förderung der Gesundheitskompetenz sowie Anreize für die Einhaltung von Versorgungspfaden. Zum letzten Punkt merkte Hecken an, ohne Instrumente wie eine Selbstbeteiligung werde man bei der Patientensteuerung keine Fortschritte erzielen.
Der G-BA-Vorsitzende sprach sich mit Blick auf die vertragsärztliche Regelversorgung unter anderem für eine Förderung der hausarztzentrierten Versorgung aus. Die verfügbaren Evaluationsergebnisse belegten die effizienzsteigernde Wirkung. Die hausarztzentrierte Versorgung müsse mit einer engen Zusammenarbeit mit Fachärztinnen und Fachärzten einhergehen.
Zur Notfallversorgung verwies Hecken auf die Notwendigkeit der Einrichtung gemeinsamer beziehungsweise vernetzter Leitstellen von ärztlichem Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst. Grundsätzlich sollten zudem digitale Lösungen zur Verbesserung des Informationsaustauschs und des Schnittstellenmanagements genutzt werden. Auch in Form von telemedizinischen Angeboten könne Digitalisierung die Notfallversorgung unterstützen.
Zugang zur Versorgung steuern
Eine effektive Zugangssteuerung – und damit eine Entlastung im Versorgungsalltag – in die jeweils angemessene Versorgungsebene lasse sich mit einer validiierten medizinischen Ersteinschätzung erreichen. In diesem Zusammenhang kritisierte Hecken die Beanstandung der vom G-BA erarbeiteten und beschlossenen Richtlinie zur Ersteinschätzung in der stationären Notfallversorgung.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte als Aufsichtsbehörde Kritik am G-BA-Beschluss vom 6. Juli 2023 geübt und ihn als „rechtswidrig“ eingestuft. Hecken bezeichnete dies als „völlig falsche Weichenstellung“. Das BMG lasse außer acht, was Patienten brauchten und vor allem, was die vertragsärztliche Versorgung zu leisten im Stande sei.
In Richtung BMG und aktueller Gesundheitspolitik wurde Hecken auch grundsätzlich. Die gemeinsame Selbstverwaltung sei bereit, im Interesse der Patientinnen und Patienten an der notwendigen Transformation des Gesundheitswesens mitzuarbeiten. „Wenn man bereit wäre, uns zuzuhören und mit uns zu sprechen.“ Die vorhandene Expertise derer, die „jeden Tag sehen, wo die Missstände des Systems liegen“ nicht zu nutzen, sei der „absolut falsche Weg“, warnte Hecken.
Zum Aspekt der sich nach seiner Einschätzung bedenklich entwickelnden GKV-Finanzen betonte Hecken, man müsse perspektivisch alternative Finanzierungsmodelle andenken. Aber auch kurzfristig könne man politisch durchaus für eine gewisse Entlastung sorgen.
Schnell umsetzbar seien die Vollfinanzierung versicherungsfremder Leistungen und der GKV-Kosten für Bürgergeldempfänger, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel sowie die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV auf das Niveau der Rentenversicherung. Denkbar seien auch Gesundheitsabgaben auf Tabak und Alkohol.
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