Ärzteschaft

Ersteinschätzung in Notaufnahmen: Fachgesellschaft sieht Ergänzungsbedarf

  • Donnerstag, 27. Juli 2023
/picture alliance, Marcus Brandt
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Berlin – Ab Juni kommenden Jahres soll in den Notaufnahmen ein standardisiertes und qualifiziertes Erstein­schätzungsverfahren gelten. So sieht es eine neue Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor. Die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) sieht Überarbeitungsbedarf.

„Die Richtlinie stellt die Patientensicherheit nicht in den Mittelpunkt“, kritisierte Christoph Dodt aus dem erweiterten Vorstand der Fachgesellschaft gestern auf einem Seminar der DGINA. Er habe Zweifel, dass die Instrumente für die Ersteinschätzung und die Weiterleitung in bestimmte Versorgungsbereiche eine hohe Patientensicherheit gewährleisten könnten.

Daher stelle die Richtlinie bewusst hohe Anforderungen an die Qualifikation des Personals für die Erstein­schätzung und die Weiterleitung. Diese hohe Qualifikation solle die möglichen Mängel beim Ersteinschät­zungsinstrumentarium kompensieren.

Die G-BA-Richtlinie sieht vor: Handelt es sich laut Ersteinschätzung um einen medizinischen Notfall, sollen Patientinnen oder Patienten ambulant im Krankenhaus weiterversorgt oder auch stationär aufgenommen wer­den. Ist ein sofortiger Behandlungsbedarf nicht angezeigt, soll die weitere Versorgung in einer Vertragsarzt­praxis erfolgen.

Dafür hat der G-BA weitere Abstufungen festgelegt, bei der Patienten zwei Dringlichkeitsgruppen zugeordnet werden: In der ersten Gruppe soll die Versorgung innerhalb von 24 Stunden entweder ambulant im Kranken­haus oder in einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) am oder im Krankenhaus stattfinden. Auch die Betreuung in einem medizinischen Versorgungszentrum des Krankenhauses ist möglich.

Ist eine Versorgung nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden notwendig, erhalten Versicherte einen Vermitt­lungscode, mit dem sie über die Terminservicestellen der KV einen Termin in einer Vertragsarztpraxis buchen können.

Die Richtlinie fordert, dass die Ersteinschätzung in der Notaufnahme ab 2027 nur noch durch examiniertes Pflegepersonal mit Zusatzqualifikation Notfallpflege oder durch Notfallsanitäter erfolgt. Die DGINA sieht hier ein Personalproblem, weil das entsprechende Personal dann bei der Versorgung fehle. „Nötig ist eine Qualifika­tionsoffensive für Pflegefachpersonal“, forderte der DGINA-Präsident Martin Pin auf der Veranstaltung. Hier müsse die Politik auch finanziell unterstützen.

Die die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hatte die G-BA-Richt­linie gestern in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Gesundheitsminister der Länder scharf kritisiert und das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, die G-BA-Richtlinie zu beanstanden. Ohne eine solche Beanstandung tritt sie nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

hil

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