Politik

Etat des Bundesgesundheitsministeriums: Darlehen für die Pflege und mehr Geld für Prävention

  • Freitag, 14. November 2025
/picture alliance, Zoonar, DesignIt
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Berlin – Der Bundesetat für das nächste Jahr ist bereit für die endgültige Abstimmung im Parlament. Der Haushaltsausschuss beschloss in der Nacht letzte Änderungen an den Budgets der Ministerien. In der mehr als 15-stündigen Bereinigungssitzung mussten die Ministerinnen und Minister der schwarz-roten Koalition selbst vorsprechen – und teils stundenlang vor der Tür warten. Das Ergebnis: noch höhere Schulden als bisher gedacht.

Insgesamt werden die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr auf 524,54 Milliarden Euro steigen – nach knapp 503 Milliarden Euro im laufenden Haushaltsjahr. Dem stehen 2026 geschätzte Einnahmen von zusammen 426,57 Milliarden Euro aus Steuern und sonstigen Einnahmen gegenüber. Damit ist eine Nettokreditaufnahme im Kernhaushalt in Höhe von 97,97 Milliarden Euro vorgesehen.

Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ist vergleichsweise klein: Hier sind nun rund 21,7 Milliarden Euro vorgesehen, etwas mehr als im Regierungsentwurf, der noch 20 Milliarden Euro ausgewiesen hatte. Grund dafür ist vor allem eine kurzfristig erzielte Einigung innerhalb der Koalition zur Stabilisierung der Pflege: Hier wird ein zusätzliches Darlehen von 1,7 Milliarden Euro aufgenommen und die soziale Pflegeversicherung damit insgesamt mit 3,2 Milliarden Euro für das Jahr 2026 gestützt.

„Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sorgt mit der Aufstockung dafür, das der aktuelle Satz von 3,6 Prozent für das Jahr 2026 gehalten werden kann“, sagte Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, im Anschluss an die Sitzung.

Das Lob teilen nicht alle: Vor allem die Haushaltspolitikerinnen und -politiker blicken skeptisch auf diese Lösung: „Statt echter Reformen setzt die Koalition weiter auf kurzfristige und unsolide Haushaltstricks über rückzahlbare Darlehen. Besonders deutlich wird das mit der nachträglichen Bereitstellung zusätzlicher 1,7 Milliarden Euro für ein Darlehen an die Pflegeversicherung, die buchstäblich in letzter Minute – eine Stunde vor der Bereinigungssitzung – beschlossen wurde“, teilte Paula Piechotta (Grüne), Mitglied im Haushaltsausschuss und dort zuständig für den Etat des Bundesgesundheitsministeriums, nach der Sitzung mit.

Man habe die Regierung darum gebeten, rechtzeitig vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschuss eine Lösung für die Pflegeversicherung zu finden, deutete Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, in einer Presskonferenz am Morgen nach der 15-stündigen Sitzung an. Nach seinen Angaben müsse das Darlehen von insgesamt 3,2 Milliarden zwischen 2029 und 2035 zurück gezahlt werden.

Bei der Frage, ob das möglich ist, verweisen die Haushälter der Koalition auf die eingesetzten Reformkommissionen. Diese hätten den „Sinn und Zweck“ kostendeckende Vorschläge vorzulegen, „dann sind auch mit positiven Einnahmen zu rechnen“, so Thorsten Rudolph, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Beide kritisierten allerdings den zeitgleich zur Sitzung stattfindenden Koalitionsausschuss, in dem auch weitere haushaltsrelevanten Entscheidungen getroffen wurden.

Kritik an dem Vorgehen kommt auch von den haushaltspolitischen Sprechern der Opposition: „Ich finde es hochproblematisch, wenn die Frage, wie hoch sind die Verpflichtungen und wann werden die Darlehen zurück gezahlt, vom der Bundesministerin in der Sitzung nicht beantwortet werden können“, sagte Dietmar Bartsch, haushaltspolitischer Sprecher der Linken. Der Verweis auf die Reformkommissionen bezeichnete Bartsch als „Null-Antwort“.

Insgesamt enthalte der Bundeshaushalt über 15 Milliarden Euro an Darlehen in die jeweiligen Sozialen Sicherungssysteme, „ohne jede Rückzahlungsperspektive“, so Sebastian Schäfer, Sprecher für Haushaltspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.

Auch Krankenkassen bewerten die Lage in der Pflege als kritisch

Als ein „kurzfristiges Durchatmen“ wird die Erhöhung des Ausgleichsfonds für die soziale Pflegeversicherung vom AOK Bundesverband bezeichnet. „Allerdings ist diese 'pragmatische Lösung' bei näherer Betrachtung nur eine vorübergehende Scheinlösung, die echte Probleme in die Zukunft verschiebt“, kommentierte Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbandes in einer Mitteilung. Er habe nun hohe Erwartungen an die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Pflege, die Reformvorschläge präsentieren will.

Eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung fordert auch der Verband der Ersatzkassen (vdek): „Es ist dringend notwendig, die Finanzierung der Pflegeversicherung so zu stärken, dass sie den aktuellen wie zukünftigen finanziellen Herausforderungen gewachsen ist und die Versorgung langfristig sichert“, sagte Boris von Maydell, Vertreter des Vorstandes des vdek. Ebenso wie der AOK Bundesverband fordert auch der vdek, dass die versicherungsfremden Leistungen in der Pflegeversicherung sowie die Corona-Schulden zeitnah beglichen werden.

Der BKK-Dachverband rechnete vor, wie hoch die Darlehen in der Pflege sind. „Es ist bereits das vierte Darlehen, das die soziale Pflegeversicherung zurückzahlen muss“, so Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbandes. „Von einem Darlehen aus dem Jahr 2022 sind noch 0,5 Milliarden Euro offen. Hinzu kommen die Darlehen in den Bundeshaushalten 2025 und 2026 von 0,5 und 1,5 Milliarden Euro sowie das nun bekannt gewordene Darlehen von 1,7 Milliarden Euro. Insgesamt muss die SPV somit 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen, während der jährliche Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro gleichzeitig gestrichen wurde.“ Würde der Bund die rund fünf Milliarden Euro Pandemiekosten zurückzahlen, „wäre sofort Luft da, um den Beitragssatz stabil zu halten und notwendige Reformen in Ruhe anzugehen“, so Klemm weiter.

Mehr Prävention im Gesundheitsetat

Der Gesundheitsetat ist nach Angaben aus der SPD-Fraktion in einigen Bereichen auch weiter gestiegen. „Es ist uns gelungen, Präventions-Titel im Vergleich zum Regierungsentwurf wieder aufzustocken, Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs zu stärken und ein Forschungsprogramm Frauengesundheit zu etablieren“, teilte Svenja Stadler, Haushaltspolitikerin der SPD-Bundestagsfraktion mit Schwerpunkt Gesundheit, mit.

So wurden zusätzliche vier Millionen Euro für die Aufklärungsprojekte bei Drogen- und Suchtmitteln bereitgestellt, damit stehen im BMG-Hauhalt 2026 dafür insgesamt 18,1 Millionen Euro zur Verfügung. Für ein Forschungsprogramm Frauengesundheit im Etat des BMG sollen zwischen 2027 und 2029 insgesamt 11,5 Millionen Euro bereit stehen.

Außerdem betonte Stadler: „Um psychischen Krisen von Kindern und Erwachsenen vorzubeugen, statten wir niedrigschwellige Online-Beratungsangebote wie Mano und Krisenchat besser aus, auch das dient der Prävention.“ Zum Krisenchat gehen etwa zwei Millionen Euro, das Angebot Mano wird mit 200.000 Euro unterstützt.

Die Gegenfinanzierung dieser Projekte läuft über Kürzungen bei anderen Bereichen: So wird der Bereich "Stärkung der internationalen öffentlichen Gesundheit" um 11,5 Millionen Euro auf 18,5 Millionen Euro gekürzt. Auch die Unterstützung für der Betrieb des WHO Hub für Pandemic and Epidemic Intelligence in Berlin wird um fünf Millionen Euro gesenkt.

Aus der CDU/CSU-Fraktion werden die Projekte gegen die wachsende Einsamkeit bei Kinder und Jugendlichen hervorgehoben. „Wir begegnen der wachsenden Sorge um die psychische Belastung und Einsamkeit von Kindern und Jugendlichen mit konkreten Maßnahmen“, erklärte Melanie Bernstein, Haushaltspolitikerin der CDU, in einer Mitteilung. „Für diesen Schwerpunkt gibt es erstmalig einen eigenen Haushaltstitel mit anfänglich 3,8 Millionen Euro. Zusätzlich etablieren wir mit 600.000 Euro das Projekt „Mach mit!“ der Malteser, das durch verschiedene Begegnungsformate sozialer Isolation entgegenwirken soll.“

Um in finanziell bessere Bedingungen zu kommen, müsse die „Arbeit an strukturellen Reformen im Gesundheits- und Pflegebereich entschieden vorangetrieben“ werden, betonte SPD-Politikerin Stadler.

Zuvor war bereits bekannt geworden, dass im Etat des BMG der Bereich "Anreize für Ansiedlungen und Erhalt von Wirkstoffherstellungsstätten in Deutschland" in Höhe von 16,67 Millionen Euro in den Etat des Bundeswirtschaftsministerium gegeben wurden.

bee/dpa

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