Ethikrat verabschiedet Ad-hoc-Empfehlung zur Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen

Berlin – Da derzeit die Zahl derjenigen Kinder und Jugendlichen, die ihre empfundene geschlechtliche Identität im Widerspruch zu der ihnen personenstandsrechtlich zugeschriebenen Geschlechtszugehörigkeit wahrnehmen, stetig steigt, hat der Deutsche Ethikrat gestern eine Ad-hoc-Empfehlung zum Thema Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen verabschiedet.
Damit möchte das interdisziplinär besetzte Gremium die Öffentlichkeit für die diffizilen Fragen eines angemessenen gesellschaftlichen und medizinischen Umgangs mit Trans-Identität sensibilisieren. Gleichzeitig wollen die Experten aber auch mit Betroffenen, Experten aus Medizin, Ethik und Recht sowie der Öffentlichkeit in einen Dialog treten.
Bereits vor einer solchen breiten Debatte weist der Rat in seiner Empfehlung mit Nachdruck auf wichtige ethische Grundsätze hin, die als Orientierung bei der Begleitung und Behandlung der Betroffenen dienen sollen.
So müsse zum einen das allgemeine Persönlichkeitsrecht beachtet werden, das auch das Recht, ein Leben entsprechend der eigenen, subjektiv empfundenen geschlechtlichen Identität zu führen und in dieser Identität anerkannt zu werden, umfasse. In allen Entscheidungsprozessen müsse das Kind gehört und müssten seine Vorstellungen und Wünsche seiner Reife und seinem Alter entsprechend berücksichtigt werden.
An wichtige Entscheidungen heranführen
Die therapeutische Interaktion mit dem Kind müsse schließlich so gestaltet werden, dass es an die mit zunehmendem Alter folgenreicher werdenden Entscheidungen herangeführt werde, betont der Rat. Eltern und behandelnde Personen sollten das Kind dabei bestmöglich unterstützen.
Sei das Kind hinreichend einsichts- und urteilsfähig, um die Tragweite und Bedeutung der geplanten Behandlung zu verstehen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und danach zu entscheiden, müsse sein Wille maßgeblich berücksichtigt werden. Ohne seine Zustimmung oder gar gegen seinen Willen dürfe es nicht behandelt werden.
Nutzen und Schaden der medizinisch-therapeutischen Maßnahmen müssten in jedem individuellen Fall sorgfältig abgewogen werden, betonen die Experten. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Risiken, Nebenwirkungen und Folgen teilweise umstritten sind.
Wie die Risiken, (Neben-)Wirkungen und langfristigen Folgen, die den Minderjährigen durch aktives medizinisch-therapeutisches Eingreifen entstünden, müssten aber auch solche berücksichtigt werden, die durch das Unterlassen von Maßnahmen drohen.
Sowohl die in Betracht gezogenen Behandlungsmöglichkeiten als auch deren Unterlassung könnten schwerwiegende und teils irreversible Folgen haben, schreibt der Rat in seiner Stellungnahme.
Gerade angesichts der Streitigkeit einzelner Handlungsoptionen hätten Betroffene und ihre Eltern einen Anspruch auf eine ausgewogene Beratung und Aufklärung. Zudem sollte ein entstigmatisierender Umgang mit Trans-Identität bei Kindern gefördert werden. Entsprechende Angebote psychosozialer Beratung müssten gestärkt werden.
Auch der Gesetzgeber hat begonnen, sich mit dem Thema zu befassen (Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen sowie Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen, Kabinettsbeschluss vom 18. Dezember 2019).
Die Ursachen des deutlichen Anstiegs der Zahl der Behandlungs- und Beratungssuchenden, unter diesen ein hoher Anteil von (nach ihrem Geburtsgeschlecht) weiblichen Jugendlichen, sind jedoch umstritten. Sie bedürfen nach Ansicht des Ethikrates dringend weiterer Klärung.
Auch die langfristigen Auswirkungen medizinischer Behandlungen müssten weiter untersucht werden, um die schwierigen prognostischen Entscheidungen auf eine bessere empirische Basis zu stellen.
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