EU-Parlament und Mitgliedstaaten einigen sich auf Europäischen Gesundheitsdatenraum

Brüssel – Vertreter des Europaparlaments und der EU-Mitgliedstaaten haben sich gestern Nacht im sogenannten Trilog auf einen Entwurf für das Gesetz zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) geeinigt. EU-Bürgerinnen und -Bürger sollen ihre Gesundheitsdaten künftig ganz einfach in allen EU-Ländern nutzen können und die Wissenschaft erleichterten Zugriff auf die Daten erhalten.
Derzeit sei der Zugang zu Gesundheitsdaten innerhalb der Europäischen Union unübersichtlich und variiere stark, teilten die Mitgliedstaaten weiter mit. Mit dem neuen Gesetz solle es demnach etwa einem spanischen Touristen möglich sein ein Rezept in einer deutschen Apotheke abzuholen. Zusätzlich können die Daten künftig auch im öffentlichen Interesse für die Forschung genutzt werden.
Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese begrüßt die Schaffung des EHDS als „die wichtigste Entscheidung zum Schutz der Gesundheit in der Europäischen Union seit vielen Jahren, wenn nicht überhaupt“. So könne man im Ausland künftig unkompliziert medizinische Daten wie Vorerkrankungen oder Allergien weitergeben, die dann mittels Künstlicher Intelligenz (KI) automatisch in die jeweilige Landessprache übersetzt werden.
Das würde es behandelnden Ärzten ermöglichen, Situationen deutlich besser einzuschätzen und Fehldiagnosen oder Missverständnisse zu vermeiden. „Das wird viele Menschenleben retten“, betonte Liese.
Die Einführung einer digitalen Patientenakte werde zudem Arztbesuche im EU-Ausland vereinfachen, ergänzte Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europaparlament. Mit der digitalen Patientenakte könnten Medikationspläne, medizinische Bilder oder Laborergebnisse einfach mit Ärzten geteilt werden.
Außerdem werde der EHDS die medizinische Forschung deutlich voranbringen. „Durch die Sekundärnutzung der Daten in anonymisierter Form, ohne dass die Daten einem Namen zugeordnet werden können, ermöglichen wir Forscherinnen und Forschern die effektive Nutzung dieser Daten aus ganz Europa nach einheitlichen Datenschutzkriterien“, sagte Liese.
Dem digitalpolitischen Sprecher und Berichterstatter für Digital Health der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, zufolge setze der EHDS-Beschluss „der Digitalstrategie der Bundesregierung die Krone auf“. Mit dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) habe die Bundesregierung in der nationalen Umsetzung bereits ein breites und stabiles Fundament errichten können.
Neben der Widerspruchsmöglichkeit gegen die Datenausleitung aus der elektronischen Patientenakte (ePA), die dem informellen Selbstbestimmungsrecht Rechnung trage, sei eine breite Datengrundlage entscheidend für Erfolge innerhalb der medizinischen und pharmazeutischen Forschung. „Der EHDS setzt die Maxime des GDNG weiter fort, die eine Nichtnutzung von Gesundheitsdaten zur neuen ethischen Fragestellung werden lässt“, betonte Funke-Kaiser.
Beim Datenschutz der Patientinnen und Patienten sind in vielen Punkten die EU-Staaten dafür verantwortlich passende Regelungen zu finden. Laut der vorläufigen Einigung können Mitgliedstaaten ihren Bürgern die Möglichkeit gewähren, jederzeit den Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten abzulehnen oder einzuschränken. Für diese Sekundärdatennnutzung soll ein Opt-out, also eine Widerspruchslösung gelten.
Nur für Zwecke des öffentlichen Interesses müssten die Daten bereitgestellt werden. Darunter fallen Statistiken und Daten, die zur Forschung und Politikgestaltung verwendet werden. Zudem können die EU-Mitgliedstaaten härtere Regeln einführen, um den Zugang zu besonders sensiblen Daten wie Geninformationen zu schützen.
„Patientinnen und Patienten werden selbst entscheiden können, wer auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen darf, welche Informationen eingesehen werden können und welche Daten privat bleiben sollen“, versicherte Niebler. Auch Funke-Kaiser bezeichnete den geschaffenen Spielraum als „gelungenen Kompromiss, der den Weg des GDNG verstetigt“.
Der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC gehen die Regelungen für den Datenschutz nicht weit genug. Demnach hätten die Institutionen den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten geben sollen, um selbst zu entscheiden, mit wem ihre Daten geteilt werden und zu welchem Zweck. Grundsätzlich sei der EHDS aber ein Schritt nach vorn zur Verbesserung des Gesundheitswesens.
Die Europäische Kommission hatte im Mai 2022 einen Vorschlag zur Schaffung ebendieses Europäischen Gesundheitsdatenraums gemacht. Die vorläufige Vereinbarung von Rat und Parlament muss nun von beiden abschließend angenommen werden. In den meisten Fällen ist das Formsache.
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