Politik

Ministerium will weitere Maßnahmen gegen Arzneimittel­lieferengpässe ergreifen

  • Mittwoch, 22. November 2023
/Ivan Traimak, stock.adobe.com
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Berlin – Die Bundesregierung wird über das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsver­besserungsgesetz (ALBVVG) weitere Maßnahmen ergreifen müssen, um die Liefersituation bei Medikamenten zu verbessern. Das räumte der Leiter der Abteilung Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im Bun­desgesundheitsministerium (BMG), Thomas Müller, heute bei einer Veranstaltung des Pharmaverbands Pro Generika ein.

Aus ärztlicher Sicht gebe das Gesetz wenig Grund zur Hoffnung, dass sich die Engpässe bei Kinderarzneimit­teln in den kommenden Monaten spürbar bessern, hatte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), Thomas Fischbach, zuvor betont: „Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels.“

Josip Mestrovic, Vorstandsmitglied von Pro Generika und Geschäftsführer des Arzneimittelherstellers Zentiva, stimmte in die Kritik ein und erklärte, die Maßnahmen, die die Bundesregierung mit dem ALBVVG getroffen habe, würden nicht annähernd ausreichen, um die Versorgungslage zu stabilisieren.

So seien von der Möglichkeit von Preiserhöhungen und der Herausnahme von Kinderarzneimitteln aus den Festbetragsgruppen nur rund ein Prozent der Arzneimittel betroffen: „Es gibt eine Sammlung von Einzelfall­lösungen. Was fehlt, ist eine Gesamtstrategie.“

Sogar kontraproduktiv könnten Mestrovic zufolge die Vorgaben zur sechsmonatigen Lagerhaltung kritischer Arzneimittel. Es sei widersinnig, wenn Unternehmen Arzneimittel, die ohnehin knapp sind, nicht ausliefern können, sondern einlagern müssen, sagte er.

Hinzu komme, dass eine sechsmonatige Lagerung von häufig verwendeten Arzneimitteln illusorisch sei. Sie würde demnach bedeuten, dass von einem Präparat bis zu drei Millionen Packungen vorgehalten werden müssten – Ware, die dann dem Markt nicht zugutekommen könne.

„Ich stehe vor der Entscheidung: Investiere ich in Maschinen – was meiner Meinung nach dringend nötig ist – oder in Lagerhallen“, sagte Mestrovic. „Baue ich eine große Halle, um Arzneimittel zu lagern, dann steht die leer, weil ich nicht in die Maschinen investiert habe, um diese Lager zu füllen.“

Er plädierte dafür, sich dem Problem endlich mit einer Gesamtstrategie zur Sicherstellung der Arzneimittel­versorgung zu widmen, statt sich nur nacheinander auf einzelne Aspekte der Produktion zu konzentrieren. „Was wir brauchen, sind gute Rahmenbedingungen, damit es sich wieder lohnt, hier zu investieren.“

Müller griff das auf und betonte, dass ohnehin keine falschen Hoffnungen mit dem ALBVVG verbunden wer­den sollten. Man könne nicht allein durch politischen Willen eine funktionierende Versorgungskette in einem internationalen Markt zaubern: „Von daher war allen klar, dass wir das nicht bereits in diesem Winter beheben können.“

Allerdings werde einerseits bereits an Nachbesserungen gearbeitet, vor allem mittels eines Änderungsantrags zum Digitalgesetz (DigiG), der weitere Preissteigerungen ermöglichen soll. „Das ist für mich erst einmal ein Signal, dass die politischen Entscheider über mir das Problem erkennen und als bedrohlich wahrnehmen“, sagte Müller.

Andererseits werde sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für einen Critical Medicines Act ein­setzen, der beispielsweise eine staatliche Förderung der Produktion unverzichtbarer Arzneimittel in Europa beinhalten könnte.

„Mehr Generikaproduktion würde auch in Deutschland funktionieren. Es ist eine Frage des Preises“, beteuerte er. Dabei müsse die Politik versuchen, künftig eine finanzielle Ausbalancierung zwischen patentgeschützten Arzneimitteln und Generika angehen.

Während erstere in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten eine Preisexplosion erlebt hätten, habe man den Generikamarkt kaputtgespart. „Bei Generika wird mehr Geld fließen müssen“, erklärte er.

Auch solche Maßnahmen würden grundlegende Probleme wie die Fragilität komplexer internationaler Liefer­ketten bei Arzneimitteln jedoch nicht grundlegend bekämpfen, räumte er ein. Das politisch zu lösen, sei auf nationaler Ebene aber kaum möglich, hier müsse man mindestens europäisch denken. Nicht zuletzt deshalb glaube er nicht, dass das Engpassproblem jemals komplett überwunden werden kann.

lau

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