Politik

Bundestag beschließt Gesetz gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln

  • Freitag, 23. Juni 2023
/nmann77, stock.adobe.com
/nmann77, stock.adobe.com

Berlin – Der Bundestag hat ein Gesetz gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln beschlossen. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wurde heute mit den Stimmen der SPD, der Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU, AfD und Die Linke angenommen.

Das von den Ampelparteien eingebrachte Gesetz sieht unter anderem vor, die Preisregeln für Kinderarz­neimittel zu lockern – Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Durch das Gesetz wird außerdem die telefonische Krankschreibung unbefristet eingeführt.

„Seit vielen Jahren beklagen wir Lieferengpässe bei der Arzneimittelversorgung“, sagte Bundesgesund­heitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundestag. Derzeit gebe es einen Mangel bei rund 450 Wirkstoffen. Das sei eine unhaltbare Situation, betonte der Minister. Zum Teil seien Krebsmedikamente, Antibiotika oder Medikamente für Kinder hierzulande nicht erhältlich, obwohl sie im Ausland noch verfügbar seien.

Lauterbach zufolge hat sich die Versorgung mit patentfreien Medikamenten durch eine „übertriebene Ökonomisierung“ in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Die Bundesregierung habe mit der Reform nun die Weichen gestellt, um Engpässe künftig zu vermeiden.

Laut dem Gesetz sollen bei den Pharmaherstellern Vorräte für wichtige Medikamente angelegt werden. Vorgesehen ist zudem die Einrichtung eines Frühwarnsystems zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen. Diese Aufgabe soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übernehmen. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung außerdem dafür sorgen, dass die Produktion von Antibiotika in Europa gestärkt wird.

Für Apotheken soll der Austausch von Medikamenten erleichtert werden: Falls ein Arzneimittel nicht verfügbar ist, dürfen Apothekerinnen und Apotheker künftig ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben.

Durch die Novelle wird auch die in der Coronapandemie erprobte Krankschreibung per Telefon künftig dauerhaft möglich sein. Dies gilt aber nur für Patientinnen und Patienten, die der jeweiligen Hausarztpraxis bereits bekannt sind und die keine schweren Symptome haben – die genaue Ausgestaltung soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regeln.

Der Ausschuss billigte im parlamentarischen Verfahren insgesamt 31 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen am Gesetz, darunter zehn fachfremde Änderungen. So werden rechtliche Rahmenbedingungen für Modellvorhaben zum sogenannten Drug-Checking in den Ländern geschaffen. Nutzer sollen so vor gefährlichen Substanzen, die Drogen beigemischt sein könnten, besser geschützt werden.

Der CDU-Abgeordnete Georg Kippels bezeichnete die Arzneimittelreform als „eine Enttäuschung“. Das Gesetz gehe die „wirklichen Ursachen“ der Versorgungsprobleme nicht an. Eine Bevorratung von Arzneimitteln setze voraus, dass sie vorher „in ausreichendem Maß produziert werden konnten“.

Hier liege das grundsätzliche Problem. „Die Produktionskapazitäten sind entweder nicht da oder aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten lohnt es sich nicht, die Generika zu produzieren und in den Markt zu geben.“ Zudem werde durch das neue Gesetz „viel Bürokratie“ geschaffen und stelle aus seiner Sicht nur ein Placebo dar.

Gesundheitspolitikerin Paula Piechotta (Grüne) verwies in diesem Zusammenhang auf den Pharmadialog. Dieser habe jahrelang keine Wirkung erzielt und sei somit das wahre Placebo. Mit dem ALBVVG liefere die Ampelkoalition, indem sie die Inhalte des Koalitionsvertrages bezüglich der Arzneimittelversorgung umsetze.

Der BKK Dachverband begrüßte, dass das Thema der Arzneimittellieferengpässe im ALBVVG angegangen wird. Wichtig sei dabei sowohl die erhöhte Transparenz in der Versorgungskette als auch die Verpflichtung zur Lagerhaltung für Rabattarzneimittel von 6 Monaten. „Wir setzen außerdem darauf, dass der Gesetzgeber nachsteuert, sollten die Rabattverträge nicht mehr ihr Potenzial für Beitragseinsparungen erfüllen “, sagt Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes.

„Das Gesetz ist sicher kein großer Wurf, aber es kann Ausgangspunkt für eine konstruktive Debatte sein. Wir können es uns nicht leisten, in einer dauerhaften Mangelsituation bei Medikamenten zu verharren“, bewertete Claus Michelsen, Chefvolkswirt des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), den Bundestagsbeschluss.

aha/afp

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung