Europäische Arzneimittelbehörde statt EU-Parlament: Straßburg soll tauschen

Brüssel/Straßburg – Das EU-Parlament hat einen erneuten Vorstoß unternommen, das EU-Parlament vollständig nach Brüssel zu verlagern. Das teure und aufwendige Pendeln mehrerer tausend Abgeordneter, Assistenten, Dolmetscher und der Beamten zu den monatlichen Plenarsitzungen in Straßburg wäre damit beendet. Als Tausch soll Straßburg den Sitz der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA erhalten. Die EMA muss im Zuge des Brexit ihren bisherigen Sitz in London aufgeben.
Im Europaparlament fordert eine sehr große Mehrheit der Abgeordneten seit Jahren, den „Wanderzirkus“ zwischen Brüssel und Straßburg zu beenden. Bei einer Debatte bekräftigten gestern Abend zahlreiche Redner diese Forderung. Der notwendige Umzug der EMA sei eine „fantastische Chance“, sagte die schwedische Konservative Anna Maria Corazza Bildt. Die österreichische Grüne und Vizepräsidentin des Parlaments, Ulrike Lunacek, verwies auf die hohen Kosten: „Dieser Wanderzirkus kostet 114 Millionen Euro im Jahr – um ein Gebäude zu nutzen, das drei Viertel des Jahres leer steht.“
Viele Gründe sprechen für Tauschgeschäft
Der CDU-Abgeordnete Peter Liese listete in einem Positionspapier Argumente für den Umzug der EMA nach Straßburg auf. Dort gebe es bereits den Europarat mit seiner Agentur für die Qualität von Arzneimitteln und Gesundheitsfürsorge sowie internationale Schulen. Außerdem seien in Straßburg und Umgebung zahlreiche Pharmakonzerne und einschlägige Forschungsinstitute angesiedelt.
Liese betonte, gerade weil er Straßburg liebe und um ihre historische Bedeutung für die europäische Einigung wisse, plädiere er für eine nachhaltige Lösung. „Nachhaltig für Straßburg, nachhaltig für Frankreich und nachhaltig für die ganze EU, vor allen Dingen auch für die Steuerzahler“, sagte er vor dem Parlament. Die anderen Mitgliedstaaten sollten Frankreich ein Angebot machen, damit das Parlament dauerhaft in Brüssel tagen könne, aber Straßburg wirtschaftlich und was das Prestige angeht, mehr als entschädigt werde.
„Der Sitz der EMA sollte dabei ein erster wichtiger Schritt sein“, erklärte er. Straßburg sei als Standort für die EMA „viel besser geeignet, als viele andere Kandidatenstädte und vor allem zehnmal besser geeignet, als der bisherige französische Kandidat Lille“, sagte Liese. „Ich plädiere dafür, dass jetzt alle ihre nationalen Egoismen zurückstellen um eine wirklich nachhaltige, europäische Lösung zu suchen“, ergänzte er.
Um den Sitz der EMA bewerben sich zahlreiche Städte – unter anderem Lille in Nordfrankreich, Bonn, Barcelona und Bukarest. Die Entscheidung über den neuen Standort der Agentur mit 900 Angestellten soll im November von den EU-Staaten getroffen werden.
Straßburg ist in den EU-Verträgen als offizieller Sitz des Europaparlaments verankert, an dem jährlich zwölf Plenartagungen stattfinden müssen. Eine Änderung der Verträge ist nur möglich, wenn dem alle EU-Staaten zustimmen – auch Frankreich. Dort ist die Idee aber unverzüglich auf Ablehnung gestoßen.
Frankreich habe „keinerlei Absicht“, auf Straßburg als offiziellen Sitz des Parlaments zu verzichten, sagte die neue französische Europaministerin Nathalie Loiseau vor Journalisten in Straßburg. Die französische Haltung in dieser Frage habe sich nicht geändert. Dies gelte auch für Präsident Emmanuel Macron.
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