Europäische Referenznetzwerke: Ein Gewinn für Patienten in Europa

Berlin – Im März vergangenen Jahres hatten 24 Europäische Netzwerke (ERN) zu Seltenen Erkrankungen ihre Arbeit aufgenommen. Jetzt wurde in Berlin beraten, wie die Arbeit der Netzwerke weiter ausgebaut werden kann. Auf Einladung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) kamen mehrere Vertreter der Europäischen Referenznetzwerke in Deutschland, der Charité und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zusammen und tauschten sich mit Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, aus.
„Da das Wissen über spezielle seltene Erkrankungen und die entsprechenden Ressourcen in verschiedenen Ländern verstreut sind, kann die Europäische Union einen enormen Mehrwert schaffen, indem sie für eine Vernetzung sorgt“, sagte Andriukaitis. Jetzt beginne die Phase, in der bereits erste Ergebnisse sichtbar würden.
900 Einheiten aus 300 Kliniken
Etabliert sind 24 Netzwerke, in denen mehr als 900 Einheiten aus 300 Krankenhäusern in Europa zusammenarbeiten und auf diese Weise das Fachwissen bündeln, das vielen Patienten in Europa zugutekommen kann, die an einer seltenen oder hochkomplexen Erkrankung leiden und eine hochspezialisierte Gesundheitsversorgung benötigen.
„Der Wissens- und Erfahrungsaustausch in den Europäischen Referenznetzwerken, gerade im Bereich der Seltenen Erkrankungen, kommt Patientinnen und Patienten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugute“, betonte auch Lutz Stroppe, Staatssekretär des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Fachwissen erreiche über die digitale Vernetzung den einzelnen Patienten.
In den ERN würden somit die Chancen der digitalen Vernetzung genutzt, indem der Informationsaustausch auf Grundlage einer IT-Plattform und mittels telemedizinischer Verfahren erfolge. „Die ERN sind ein Beispiel für das Vorantreiben europäischer Gesundheitspolitik mit klaren Zielen sowie auf freiwilliger Basis“, sagte Stroppe. Dies sollte es häufiger geben.
Deutschland ist mit 122 Krankenhausabteilungen und Instituten von 42 Trägern an allen 24 Europäischen Referenznetzwerken beteiligt. „Deutschland ist ein aktiver Partner, der gibt, aber auch profitiert“, sagte Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Er mahnte jedoch gleichzeitig an, die finanzielle Förderung der Zentren sicherzustellen.
Vier Netzwerke werden von ERN-Koordinatoren aus deutschen Kliniken geleitet – und zwar die Europäischen Referenznetzwerke für seltene neurologische Erkrankungen, seltene Nierenerkrankungen, seltene erbliche Stoffwechselerkrankungen und seltene Lungenerkrankungen. Aufgrund der erheblichen phäno- und genotypischen Heterogenität von Patienten mit seltenen neurologischen Erkrankungen seien hier beispielsweise mehr als der Hälfte der 500.000 betroffenen Europäer noch ohne Diagnose, verdeutlichte der Netzwerkkoordinator für seltene neurologische Erkrankungen, Holm Graessner von der Universität Tübingen, die Problematik. Das Netzwerk soll diese Lücken durch virtuelle multidisziplinäre Konsultationen schließen und laufende Register wie für Huntington oder Ataxie ergänzen.
In der EU gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen in der EU von ihr betroffen sind. Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen mit einer der weltweit bis zu 8.000 unterschiedlichen seltenen Erkrankungen, in der gesamten EU geht man von 30 Millionen Menschen aus.
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