Ex-Gesundheitsminister wollen an der Zustimmungslösung zur Organspende festhalten

Berlin – Die ehemaligen Bundesgesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) kritisierten heute die Absicht des derzeitigen Ressortchefs Jens Spahn (CDU), eine doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende einzuführen.
Nach dem federführend von ihm vorgelegten interfraktionellen Entwurf eines „Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz“ soll jeder als Spender gelten, der sich nicht ausdrücklich gegen eine Organspende ausgesprochen hat. Nach Ansicht der beiden ist dies aber nicht zielführend.
Gemeinsam warben Schmidt und Gröhe stattdessen vor der Presse in Berlin für den fraktionsübergreifenden Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit bei der Organspende“ um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, der auf eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Menschen und deren ausdrückliche Zustimmung zur Organspende setzt. Beide sind Mitunterzeichner dieses Entwurfs.
„Wir sollten an der Zustimmungslösung festhalten, aber die Bedingungen für die Organspende verbessern“, sagte Schmidt. Ihre Erfahrungen als Bundesgesundheitsminister zeigten: Zentrale Stelle – „die Wurzel“ – sei das Krankenhaus. Hier müsse die Organisation und Finanzierung der Organspende verbessert werden, so wie es das am 1. April dieses Jahr in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Organspende vorsehe.
Widerspruchslösung nicht die richtige Antwort
„Ich finde es befremdlich, dass sofort mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Debatte um die Widerspruchslösung aufkam“, sagte Schmidt. Ergänzt werden könnten die Strukturverbesserungen in den Krankenhäusern durch Maßnahmen, die helfen, die Lücke zwischen Spendebereitschaft und den tatsächlichen Spenden zu schließen.
Herausragendes Ziel sei es, die Zahl der Organspenden zu erhöhen und den Menschen auf der Warteliste zu helfen, sagte Gröhe. „Die Widerspruchslösung ist aber nicht die richtige Antwort.“ Stattdessen sollten alle Bürger regelmäßig zum Thema Organspende befragt werden, etwa beim Abholen der Ausweispapiere. Auch Beratungen durch die Hausärzte und ein bundesweites Onlineregister soll es künftig geben.
Es gehe darum, das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen und damit die Organspendebereitschaft und Verbindlichkeit zu steigern, erklärte der ehemalige Bundesgesundheitsminister. Zwar sei es wünschenswert, dass sich alle Bürger mit dem Thema Organspende befassten und eine Entscheidung treffen würden. Aber auch wer sich weigere, sich zu entscheiden, dürfe nicht sein Selbstbestimmungsrecht verlieren. „Die Widerspruchslösung wäre ein Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht – das sollten wir nicht klein reden“, betonte Gröhe.
Internationale Studien zeigten zudem keine Unterschiede bezüglich der Anzahl der Organspenden durch das Vorliegen einer Widerspruchslösung im Vergleich zur Entscheidungslösung, erklärte Schmidt. Ausschlaggebend für die hohen Spenderzahlen in anderen Ländern seien vor allem klare Zuständigkeiten und Abläufe in den Krankenhäusern sowie ein hohes Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin. „Vertrauen schaffen ist das Beste, das man machen kann“, betonte sie.
Im September soll es eine Expertenanhörung zum Thema Organspende im Bundestag geben. Entscheiden wird dieser dann voraussichtlich noch im Herbst darüber, ob künftig die Widerspruchs- oder weiterhin eine Zustimmungslösung gelten soll. Dabei werden die Abgeordneten ohne Fraktionszwang abstimmen.
Der Ausgang ist noch offen: Wie bereits bei der ersten Lesung der beiden konkurrierenden Gesetzentwürfe am 26. Juni sind noch viele Abgeordnete unentschlossen. Eine Widerspruchslösung präferierten nach Angaben des Deutschen Bundestages gut 200 Abgeordnete, der Entwurf zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit hatte knapp 200 Unterstützer. Nach Informationen des Deutsches Ärzteblattes beträgt auch jetzt die Differenz zwischen beiden Gesetzentwürfen lediglich 30 Stimmen.
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