Experten diskutieren Zukunft der PKV
Berlin – CDU und Privatversicherer haben gestern auf der Euroforum-Konferenz „PKV aktuell“ vor der Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) gewarnt. „Die PKV ist der spürbare Wettbewerbspartner für die gesetzliche Krankenversicherung, zum Beispiel im Bereich des Leistungskatalogs“, sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Stritzl (CDU). „Diesen Wettbewerb aufzulösen, halte ich für falsch. Wenn die PKV fehlt, hätten die Kassen keinen Mitspieler auf Augenhöhe mehr. Dann würden die Großen die Kleinen fressen, und die Folge wäre eine Einheitsversicherung.“
„Ich finde die Diskussion um die Bürgerversicherung unintelligent“, meinte Hans Olav Herøy vom Vorstand der HUK-Coburg. Die Befürworter der Bürgerversicherung sprächen davon, die Zwei-Klassen-Medizin abschaffen zu wollen. „Wenn man dabei etwas abschaffen will, dann doch nicht die erste, sondern lieber die zweite Klasse“, sagte Herøy. Es sei nicht gesagt, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die zweite Klasse sei. Dennoch solle man nicht das kaputtmachen, was gut sei.
Die Folgen einer Einheitsversicherung könne man heute schon in Großbritannien oder Norwegen beobachten. So würde es unter einer Einheitsversicherung auch in Deutschland zu Rationierungen und zu Wartezeiten kommen, zudem zu mehr Bürokratie.
PKV weiterentwickeln, nicht zerschlagen
„Das Gute an PKV und GKV ist, dass sie sich gegenseitig anstacheln“, sagte Herøy. „In Deutschland war zum Beispiel der Wirkstoff Sovaldi zur Behandlung von Hepatitis-C-Patienten sehr schnell für alle Patienten verfügbar.“ In Großbritannien sei hingegen aufgrund des hohen Preises des Präparats entschieden worden, dass nur 10.000 Patienten pro Jahr mit Sovaldi behandelt werden dürften.
„Statt undifferenziert zu zerschlagen, sollte man die Systeme intelligent weiterentwickeln“, forderte der HUK-Coburg-Vorstand. „Zum Beispiel sollte es künftig besser möglich sein, sowohl zwischen Kassen und Versicherern innerhalb von GKV und PKV als auch zwischen den Systemen zu wechseln, ohne dadurch gravierende finanzielle Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.“
PKV braucht Anreize für einen Wettbewerb um Bestandskunden
Der Vorsitzende der Monopolkommission, Achim Wambach, nannte Aspekte, die aus seiner Sicht in GKV und PKV verbessert werden müssten. „In der PKV gibt es unzureichende Anreize für einen richtigen Wettbewerb, zum Beispiel gibt es keinen Wettbewerb um Bestandskunden“, monierte er. Eine weitere Designschwäche der PKV seien die Hindernisse beim Zusammenschluss von Versicherungen.
Seit den 1990er-Jahren sei die Zahl der Privatversicherungen recht konstant geblieben. „1995 lag sie bei 54, heute sind es 49“, so Wambach. „Fusionen sowie Marktein- und Marktaustritte sind ein großer Wettbewerbshebel. Wir brauchen mehr Ein- und Austritte. Denn das ist der Impuls, der den Wettbewerb am Leben hält.“ Problematisch seien zudem die eingeschränkten Kontrahierungsmöglicheiten der PKV-Unternehmen auf dem Leistungsmarkt. Die Monopolkommission empfehle eine Öffnungsklausel in der Gebührenordnung.
In der GKV gebe es auf der anderen Seite unzureichende Investitionsanreize. „Ein Beispiel: Eine Krankenkasse zahlt eine Hepatitis-C-Therapie mit dem Wirkstoff Sovaldi. In diesem Jahr sind die Ausgaben für die Kasse hoch, in den vier Folgejahren jedoch niedrig, weil der Patient genesen ist“, sagte Wambach. „Im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs jedoch sind die Zuweisungen, die die Kasse für diesen Patienten erhält, nun geringer, weil der Patient ja gesund ist. Zuweisungen aus dem Morbi-RSA erhalten Krankenkassen nur für kranke Patienten.“
Wenn sie dem Patienten also die Hepatitis-C-Behandlung bezahle, sei das volkswirtschaftlich von Vorteil, betriebswirtschaftlich jedoch nicht. Ein Problem entstehe vor diesem Hintergrund dann, wenn die Krankenkassen zunehmend zum Gestalter im Gesundheitswesen würden. Das sei ein struktureller Nachteil der GKV und ein Riesenvorteil für die PKV.
Dem widersprach Rolf Buchwitz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg: „Die GKV ist daran interessiert, den Patienten so schnell gesunden zu lassen, wie es geht. Denn dann ist er ein Treiber für einen positiven Umsatz.“
Streit um Anstieg der GKV-Beiträge
Hans Olav Herøy von der HUK Coburg prognostizierte deutlich steigende GKV-Beiträge infolge des demografischen Wandels. „In den nächsten 19 Jahren werden jedes Jahr 1,2 Millionen Menschen in Rente gehen, während nur 700.000 Erwerbstätige nachkommen“, sagte er. „Weniger Menschen werden also in die Sozialversicherungen einzahlen, während mehr Menschen älter werden und deshalb höhere Kosten verursachen.“ Herøys Rechnung zufolge wird dieser Sachverhalt, wenn alles so bleibt, wie es derzeit ist, den Beitragssatz in den nächsten 19 Jahren auf über 22 Prozent steigen lassen.
Buchwitz von der AOK Rheinland/Hamburg ist anderer Ansicht. „1994 wurde mir schon vorgerechnet, dass der Beitragssatz in der GKV in 20 Jahren bei über 20 Prozent liegt. Tatsächlich liegt er heute bei 14,6 Prozent“, sagte er. „Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle, unter anderem die Ausgabenentwicklung, die wir stark beeinflussen können.“
Auch Stefan Etgeton von der Bertelsmann Stiftung widersprach Herøy. „Man muss bei solchen Prognosen vorsichtig sein. Man kann nicht immer alles vorhersehen.“ Zum Beispiel habe sich die Arbeitsmigration aus der Europäischen Union positiv auf die demografische Entwicklung in Deutschland ausgewirkt.
Markt der Zusatzversicherungen noch nicht ausgeschöpft
Der Vorstandsvorsitzende der DKV, Clemens Muth, gab eine Prognose für den Markt der PKV-Zusatzversicherungen ab. „Die Krankenzusatzversicherung ist ein Wachstumsmarkt, sowohl die individuelle als auch die betriebliche, und zwar seit vielen Jahren“, sagte er. Denn manches werde durch die GKV nicht abgedeckt.
„Bedarfe gibt es zum Beispiel bei der Pflegeversicherung, die ja nicht die kompletten Kosten der Pflege übernimmt.“ Nur fünf Prozent der deutschen Bevölkerung habe bislang eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Auch im Bereich der Zahnzusatzversicherung sei der Markt noch weit entfernt davon, ausgeschöpft zu sein. „Ich gehe davon aus, dass sich diese Entwicklung bei der Zusatzversicherung fortsetzen wird“, so Muth.
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