Fast 600.000 Rohingya aus Myanmar geflohen

Genf – Im südostasiatischen Bangladesch ist die Zahl der muslimischen Rohingya-Flüchtlinge aus dem Nachbarland Myanmar erneut dramatisch gestiegen. 582.000 Menschen hätten dort nach neuesten Schätzungen seit Ende August Zuflucht gesucht, berichtete das UN-Kinderhilfswerk Unicef getsern in Genf.
Allein seit Sonntag seien bis zu 15.000 Menschen eingetroffen, sagte ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Ende vergangener Woche wurde die Zahl auf gut 530.000 Flüchtlinge geschätzt. Zusätzlich lebten bereits mehr als 300.000 Rohingya in Bangladesch in Flüchtlingslagern. Sie waren bereits früher vor Gewalt in ihrer Heimat geflohen.
Geberkonferenz in Genf
Nach Angaben des UN-Nothilfebüros (Ocha) sind nach dem UN-Spendenaufruf in Höhe von 434 Millionen Dollar (fast 370 Millionen Euro) für sechs Monate bislang 24 Prozent der Summe eingegangen. Am 23. Oktober findet in Genf eine Geberkonferenz statt. Viele der Neuankömmlinge hätten berichtet, dass sie trotz Gewalt und Bedrohung zunächst in ihren Dörfern bleiben wollten, sagte ein Sprecher des UNHCR. Sie seien aber geflohen, als ihre Dörfer in Brand gesteckt wurden.
Myanmars Regierung bestreitet, dass die muslimischen Rohingya vertrieben werden. Die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi betrachtet die Rohingya wie die Militärregierung vor ihr aber als illegale Einwanderer. Das überwiegend buddhistische Land verweigert ihnen die Staatsbürgerschaft, obwohl viele Rohingyas seit Generation dort leben. Die neue Gewaltwelle begann Ende August nach Überfällen auf Sicherheitskräfte durch militante Rohingya.
Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International heute in einem neuen Bericht zahlreiche Gräueltaten gegen die Angehörigen des Rohingya-Volkes in Myanmar festgehalten. Der Bericht dokumentiere „detailliert eine Vielzahl von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Tötungen, Deportationen, Vertreibungen, Folter, Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt“, erklärte Anika Becher, Asien-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.
Die Organisation warf den Sicherheitskräften in Myanmar die Fortsetzung einer „Gewaltkampagne gegen die Rohingya“ vor, die hunderttausende Männer, Frauen und Kinder zur Flucht zwinge. „Amnesty fordert die Regierung von Myanmar dazu auf, der UN-Mission und anderen unabhängigen Beobachtern unverzüglich uneingeschränkten Zugang zum Bundesstaat Rakhine zu gewähren“, sagte Becher. Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing müsse „dafür sorgen, dass seine Truppen keine weiteren Gräueltaten begehen“. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen müssten vor Gericht gestellt werden.
Der Bericht „My World is Finished“ basiert nach Angaben von Amnesty auf den Zeugenaussagen von mehr als 120 Männern und Frauen der Rohingya, die in den vergangenen Wochen nach Bangladesch geflohen sind, sowie 30 Interviews mit medizinischem Personal, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, Journalisten und Vertretern der Behörden in Bangladesch. Ihre Berichte seien durch die Analyse von Satellitenbildern und anderen Daten sowie Foto- und Videodokumenten aus Rakhine bestätigt worden.
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