Politik

FDP sperrt sich weiter gegen Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel

  • Donnerstag, 11. April 2024
/Myst, stock.adobe.com
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Berlin – Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) befürwortet ein Werbeverbot für ungesunde Le­bens­mittel und eine Zuckersteuer. Dies machte er gestern in einer Konferenz zur Gesundheit, Ernährung und Diabetesprävention wiederholt deutlich. Gegenwind kommt weiterhin von der FDP.

Özdemir hatte im Februar 2023 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Werbung für ungesunde Lebensmittel zu Zeiten, in denen Kinder besonders häufig Fernsehen schauen, verbieten will. Das Werbeverbot für unge­sunde Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz soll vor allem Kinder und Jugendliche davor schützen, Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Adipositas und Diabetes zu entwickeln. Eine Zuckersteuer sieht der Entwurf nicht vor, Özdemir befürwortet diese aber.

Die FDP wehrt sich aber weiterhin gegen beides. Im vergangenen Jahr hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki das geplante Werbeverbot bereits als „politischen Aktionismus“ bezeich­net. Ein Werbeverbot für ungesunde Le­bensmittel oder eine Zuckersteuer greifen dem gesundheitspolitischen Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, zufolge zu wenig, wie dieser nun gestern erklärte.

Die Vorschläge von Özdemir würden nicht dazu führen, dass sich Kinder gesünder ernähren, weniger krank werden und die Diabeteszahlen sinken, so Ullmann. „Özdemir hat ein großes Fenster aufgemacht mit den Verboten. Das ist einfach, aber die Gesellschaft ist viel komplexer als das – und ich wehre mich gegen ein­fache Lösungen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher.

Ullmann zufolge gibt es keine Studie, die zeigen würde, dass die Diabetesinzidenz durch eine Zuckersteuer reduziert werde. Wenn Studienergebnisse erst in zehn bis 20 Jahren vorliegen würden, sei die Zucker­steuer indiskutabel, so der FDP-Politiker. Auch das Werbeverbot sei nur ein kleiner Ansatz, der das Gesamt­problem allein nicht lösen werde.

Dem widersprach Luise Molling von Foodwatch Deutschland. Es gebe eine große internationale Studie, die belegen würde, dass in Ländern mit einem gesetzlichen Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel der Kon­sum zurückgehe. Dies sei auch bei der Zuckersteuer der Fall.

„Das ist genau der Effekt, den wir sehen wollen. Natürlich braucht man für die Senkung von Diabetes- und Adipositasfällen weitere Maßnahmen, aber wir sehen ganz klare Effekte auf den Konsum. Das können wir doch nicht negieren“, betonte sie.

Die Zuckersteuer gebe es bereits in über 50 Ländern und sie zeige nachweislich erste Effekte, sagte auch Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München.

In Großbritannien sei der Zuckerkonsum etwa um 30 Prozent gesunken, vor allem Kinder und Jugendliche würden durch die Besteuerung weniger Zucker zu sich nehmen, erklärte der Ernährungsmediziner. In sozial benachteiligten Gegenden sei der Zuwachs des Body Mass Index (BMI) rückläufig.

Hauner betonte, dass neben der Zuckersteuer weitere Maßnahmen benötigt werden. „Diese eine Maßnahme wird nicht unser Gesamtproblem beseitigen, aber sie ist ein erster einfacher Schritt, der nachweislich etwas bringt“.

Es sei wichtig, dass Kinder in einer Umwelt aufwachsen, wo sie möglichst wenig Werbung für Ungesundes sehen, weil dies ihr Verhalten präge, betonte Molling. Kinder und Jugendliche würden derzeit auf unter­schiedlichen Kanälen mit Werbung für ungesunde Lebensmittel bombardiert und seien den Einflüssen der Lebensmittelindustrie ausgesetzt.

Hauner verwies auch auf die Manipulierbarkeit von Kindern. Insbesondere die Lebensmittelindustrie wisse dies in der Werbung gezielt einzusetzen und schaffe es, Kinder und Jugendliche vom Kauf ungesunder Lebensmittel zu überzeugen.

Molling wies darauf hin, dass die Fachwelt eine entsprechende Verhältnisprävention ausdrücklich begrüße und die von Özdemir vorgeschlagene Werbebeschränkung unterstütze. Einen gesetzlich verankerten Kinder­schutz in der Lebensmittelwerbung hatte das Medizin- und Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nicht­übertragbare Krankheiten (DANK) bereits Ende des vergangenen Jahres gefordert.

Nach einer Untersuchung der Hamburger Universität und der AOK für die DANK sehen mediennutzende Kinder unter 14 Jahren im Schnitt täglich 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel.

nfs

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