Politik

Finanzielle Situation der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Folteropfer ist prekär

  • Mittwoch, 29. November 2023
/Vikky Mir, stock.adobe.com
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Berlin – Nur knapp über vier Prozent der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten, die Krieg, Folter und Gewalt erlebt haben und einen potenziellen Versorgungsbedarf haben, können in den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Folteropfer (PSZ) versorgt werden. Für mehr reichen die Versorgungskapazitäten der 48 deutschlandweit verteilten PSZ nicht aus.

Nach Studienlage haben aber mindestens 30 Prozent der geflüchteten Menschen aufgrund ihrer traumatisierenden Erfahrungen einen psychosozialen Versorgungsbedarf. Das wurde gestern beim sogenannten Bund-Länder-Dialog zum Thema Psychosoziale Unterstützung für Geflüchtete in Berlin bekannt gegeben.

Ein Grund für die geringen Kapazitäten der PSZ – die überwiegend die Versorgung traumatisierter Geflüchteter sicherstellen - ist die prekäre Finanzierungssituation der PSZ, die neben Landesmitteln überwiegend außerhalb gesetzlicher Regelungen über Spenden und Projektmittel sichergestellt werden müsse, berichtete Lukas Welz, Geschäftsführer der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge un Folteropfer (BAfF).

Die Zentren bieten niedrigschwellig psychosoziale Beratung, Psychotherapie aber auch asyl- und sozialrechtliche Beratung an. Ava Träbert und Lisa vom Felde von der BAfF wiesen darauf hin, dass geflüchtete Menschen Anspruch darauf haben, dass ihre Schutzbedarfe in Bezug auf Gewaltschutz, Sozialleistungen und gesundheitliche Versorgung frühzeitig in den Erstaufnahmeeinrichtungen identifiziert werden müssten.

„Häufig liegt die Umsetzung von Identifizierungsmaßnahmen aber im Ermessen der Mitarbeitenden der Aufnahmeeinrichtungen“, sagte vom Felde. Man brauche aber ein „übersektionales Verständnis von Schutzbedürftigkeit“, das mit sensibler Sprachmittlung und kontinuierlicher Qualifizierung aller Fachkräfte in den Einrichtungen einhergehen müsse. Die BAfF hat hierzu „Empfehlungen zur systematischen Identifizierung besonderer Schutzbedarfe“ entwickelt.

Träbert wies darauf hin, dass geflüchtete Menschen im besten Falle drei bis 14 Tage nach ihrer Ankunft über ihre Rechte zur psychosozialen Versorgung aufgeklärt werden müssten. Peer-Beratung, systematische Screenings oder Beratungssprechstunden sollten hier eingesetzt werden.

„Ganz wichtig ist der Einsatz qualifizierter sensibler Sprachmittlerinnen und Sprachmittler, über die die meisten Aufnahmeeinrichtungen jedoch nicht verfügen“, betonte Träbert. Unbedingt müsse aber davon abgesehen werden, Angehörige der Betroffenen oder gar Security-Mitarbeiter zum Dolmetschen sensibler Inhalte zu verpflichten.

Gesetz zur Kostenübernahme von Sprachmittlung auf dem Weg

Gute Nachrichten in Bezug auf die Kostenübernahme von Sprachmittlung für Geflüchtete und Migranten im Gesundheitswesen hatte Sandra Baumeister vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). „Wir sind dran. Wir haben eine Abfrage bei den Ländern durchgeführt, mit welchen Systemen sie arbeiten. Die Sprachmittlung wird in einem der nächsten Versorgungsgesetze geregelt werden“, berichtete sie.

Laut Koalitionsvertrag von 2021 soll die Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des Sozialgesetzbuch (SGB) V werden. Damit wäre für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die Finanzierung zuständig.

BAfF-Geschäftsführer Welz begrüßte diese Aktivität. Er wies aber auch darauf hin, dass die Kostenübernahme der Sprachmittlung nicht nur im SGB V geregelt werden dürfe. Geflüchtete brauchten schließlich auch Dolmetscherleistungen für die soziale und die rechtliche Beratung. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz für traumatisierte Geflüchtete betragen nach Angaben von Yukato Karato vom BafF mehr als sieben Monate bei einem Psychosozialen Zentrum.

Mehr Geflüchteten könne geholfen werden, wenn die Finanzierung weniger prekär wäre. Aktuell arbeiteten 550 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in den Zentren bundesweit, viele davon in Teilzeit. Gerade die Psychotherapie sei aber schwierig zu finanzieren.

Die Finanzierung setzt sich laut BAfF generell aus Mitteln von Ländern (40 %), Kommunen, Bund und der europäischen Union zusammen, hinzu kommen Spenden und sonstige Gelder. Thomas Gerlinger, Professor für Gesundheitswissenschaft an der Universität Bielefeld, wies daraufhin, dass die Finanzierung der PSZ „bedarfsgerecht und verlässlich“ sein müsse. Dafür braucht es eine bundeseinheitliche Gesetzgebung für eine Finanzierung zum einen als Leistungserbringer im Rahmen der GKV und zum anderen durch steuerfinanzierte Zuschüsse für die diversen Beratungsleistungen, die sich Bund und Länder teilen sollten.

PB

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