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Bislang nur lückenhafte Erfassung von Daten zu Migration und Gesundheit

  • Freitag, 27. Oktober 2023
/pressmaster, stock.adobe.com
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Bielefeld/Berlin – Migranten und Flüchtlinge werden in Europa teilweise systematisch von der Gesundheits­datenerhebung ausgeschlossen. Dies ist das Ergebnis einer Studie von 18 internationalen Autorinnen und Autoren, die heute in der Fachzeitschrift The Lancet Regional Health Europe erscheint (DOI: 10.1016/j.lanepe.2023.100744).

Die Studie zeigt, dass die Erfassung der Gesundheitsdaten von Migranten sowie geflüchteten Menschen in vielen europäischen Ländern uneinheitlich und lückenhaft erfolgt. Diese Lücken in der Datenerfassung spie­gelten wider, wie stark Migration und Vertreibung in der Politik vernachlässigt würden, so ein Fazit der Studie.

„Gesundheitsdaten zu Migrantinnen und Migranten sowie geflüchteten Menschen sind mehr als nur Statisti­ken“, sagte Kayvan Bozorgmehr von der Universität Bielefeld, der gemeinsam mit Soorej Jose Puthoopparam­bil von der Universität Uppsala die Studie leitete. Es gehe um Menschenleben und Wohlbefinden, aber auch um verdeckte Ungleichheiten, wenn Gesundheitsbedarfe nicht erhoben würden.

Durch eine verbesserte Erfassung der Daten ließen sich diese auch für Monitoringzwecke nutzen, sagte Bo­zorgmehr im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. „Gelingt dies, so ist das sowohl für die regionale Ver­sorgungsplanung als auch die regionale Versorgungskontinuität relevant.“

Momentan werden für den Bielefelder Gesundheitswissenschaftler aufgrund der mangelhaften Datenerhe­bung Migranten sowie geflüchtete Menschen teilweise sogar an der Wahrnehmung ihrer grundlegenden Rechte gehindert.

„Gesundheitssysteme, die sich für eine inklusive und gerechte Gesundheitsversorgung einsetzen, müssen sicherstellen, Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge nicht systematisch von der Datenerhebung auszuschließen“, betonte er.

Die Studie befasst sich mit den migrationsbezogenen Gesundheitsdaten aus allen 53 Ländern, die der euro­päischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugerechnet werden, in der schätzungsweise 36 Prozent aller internationalen Migranten leben.

„Europäische Länder sollten von einer Ad-hoc-Datenerhebung zu systematischen Erhebungen übergehen und Migrantinnen und Migranten sowie geflüchtete Menschen proaktiv in Datensysteme integrieren, um damit gesundheitliche Chancengleichheit zu unterstützen“, erklärte auch der schwedische Co-Autor Puthoopparam­bil.

Das internationale Autorenteam, Wissenschaftler sowie Vertreter von Organisationen der Vereinten Nationen, von Regierungen und europäischen Institutionen, beließen es aber nicht bei einer Analyse, sondern entwi­ckel­ten auch einen Aktionsplan für die europäischen Gesundheitssysteme, um die Situation zu verbessern.

Sie riefen dazu auf, Methoden zu nutzen, die den Datenschutz wahren und zugleich ermöglichen, Daten aus verschiedenen Quellen zu verknüpfen. Die globale Mobilität steige, die Datensysteme vieler Länder hätten jedoch nicht Schritt gehalten.

Um die Erfassung der Daten zu verbessern, sehen sie vier Ansätze: Erstens sollten Strategien umgesetzt werden, die sicherstellen, dass Gesundheitsdaten von Migranten sowie geflüchteten Menschen strukturiert erhoben, analysiert und berichtet werden.

Zweitens sollten Methoden genutzt werden, die höchste Standards des Datenschutzes erfüllen und gleichzei­tig erlauben, Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verknüpfen.

Drittens sollten Verfahren angewendet werden, die die unterschiedlichen Hintergründe und die Diversität von Migranten sowie geflüchteten Menschen bei der Durchführung von Umfragen berücksichtigen.

Viertens sollten Migranten sowie geflüchtete Menschen in die Entscheidungsfindung über ihre Gesundheit und Gesundheitsdaten eingebunden werden. Ihre Stimmen sollten die Politik und Praktiken beeinflussen, die sich auf ihr Leben auswirken.

ER

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