Politik

Gesundheitsexperten stehen Fremdinvestoren überwiegend kritisch gegenüber

  • Mittwoch, 4. März 2020
/lensw0rld, stock.adobe.com
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Berlin – Angesichts anhaltend niedriger Zinsen auf den Finanzmärkten investieren Experten zufolge internationale Kapitalgesellschaften zunehmend in die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung in Deutschland.

Ihr Engagement in der Patienten­versorgung betrachteten die Investoren dabei als reine Geldanlage. Betroffen von Auf­käufen seien insbesondere kleinere Krankenhäuser, Medizi­nische Versorgungszentren (MVZ) und Pflegeeinrichtungen.

Angesichts dieser Entwicklung hat die Linksfraktion im Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, für mehr Transparenz zu sorgen und in einem öffentlich zugänglichen Re­gister darüber zu informieren, wer die Träger und Eigentümer von MVZ sind und wie hoch die erwirtschafteten Renditen und Gewinne ausfallen, wenn MVZ von medizinfremden Investoren betrieben werden. Verstöße gegen die Meldepflichten sollten sanktioniert werden.

Ärzte und Zahnärzte befürworteten diese Forderung heute bei einer öffentlichen Anhö­rung im Gesundheitsausschuss des Bundestages. So erklärte die Bundesärztekammer (BÄK) in einer schriftlichen Stellungnahme, die Transparenz über die Aktivitäten der Finanzin­vestoren müsse grundlegend verbessert werden. Neben einem Register fordert die BÄK zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen, um den Einfluss von Fremdanlegern zu begrenzen.

Gründungsberechtigung für MVZ einschränken

So müsse die Gründungsberechtigung für MVZ eingeschränkt werden. Krankenhäuser sollten künftig nur noch in der Planungsregion ein MVZ gründen dürfen, in der der Träger seinen Sitz habe.

Zudem solle der Anteil eines MVZ an der fachärztlichen Versorgung auf maximal 25 Pro­zent im jeweiligen Fachgebiet beschränkt werden. Damit werde oligopolistischen Struk­tu­ren entgegengewirkt, erklärte die BÄK – eine Einschätzung, die auch die Kassenärztli­che Bundesvereinigung teilt.

Um den Aufbau monopolartiger Groß-MVZ mit vielen angestellten Ärzten oder Zahn­ärzten zu unterbinden, sollten zudem nach Ansicht der BÄK Anstellungsgrenzen festge­legt werden.

Außerdem müssten MVZ verpflichtet werden, ein breites Behandlungs­spektrum vorzuhal­ten. Denn nach der Übernahme bestehender Einzelpraxen durch Zentren komme es in einigen Fällen zu einer Einengung der angebotenen Versorgung auf bestimmte, beson­ders lukrative Leistungen, kritisierte die BÄK. Dabei gingen häufig konservative Teile des Versorgungs­spektrums verloren.

Der BÄK zufolge investieren derzeit schon mehr als 50 Private-Equity-Gesellschaften, die privates Kapital einsammeln und anlegen, in Gesundheitseinrichtungen in Deutschland. Sie stammten überwiegend aus dem europäischen Ausland und den USA. Betroffen seien insbesondere die Fachgebiete Labormedizin, Radiologie, Nuklearmedizin, Dialyse, Augen­heil­kunde und Dermatologie.

Renditeerwartungen setzen Ärzte unter Druck

Aufgrund der vorwiegend renditeorientierten Motivation von Private-Equity-Gesellschaf­ten bestehe die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen mehr und mehr zugunsten einer renditeorientierten Leistungserbringung beeinflusst werden, heißt es in der Stellungnahme der BÄK. Zu befürchten sei ferner eine Konzentration von Anbietern in Ballungsräumen.

Der Sachverständige der BÄK, Markus Rudolphi, räumte bei der Anhörung im Gesund­heits­ausschuss zwar ein, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gebe, dass inves­torenbetriebene MVZ Patienten schlechter versorgten. Es bestehe aber die berech­tigte Sorge, dass Ärzte unter Druck gesetzt würden, die jeweils wirtschaftlich lukrativere Be­handlung zu wählen.

Auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) warnte bei der Anhörung vor den negativen Folgen einer zunehmenden Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und schloss sich der Forderung nach einem verpflichtenden MVZ-Register an. Insbeson­dere für rein zahnärztliche Medizinische Versorgungszentren unter der Kontrolle von in- und ausländischen Fremdinvestoren müsse die Politik deutlich mehr Transparenz schaff­en.

Aktuell könnten nur durch äußerst aufwendige, kostenintensive, zudem lückenhafte und nicht immer zielgenaue Recherchen die tief verflochtenen und bewusst verschachtelten Inhaberstrukturen aufgedeckt werden, erklärte der Vorstandsvorsitzende der KZBV Wolf­gang Eßer. Erforderlich sei diese Transparenz insbesondere, um die weitere Entwicklung der Versorgung genau beobachten und bei Bedarf präventiv eingreifen zu können.

Eßer zufolge ist seit 2015 mit der gesetzlichen Erlaubnis zur Gründung fachgleicher MVZ ein rasanter Anstieg bei den zahnmedizinischen MVZ zu verzeichnen. Inzwischen gebe es bundesweit rund 1.000 solcher Einrichtungen, von denen 200 investorenbetrieben seien, ein Anteil von 23 Prozent. Dabei häuften sich inzwischen die Klagen angestellter Zahn­ärzte über den wirtschaftlichen Druck in den MVZ. Die Zahnärzte plädieren deshalb wie die BÄK dafür, die Gründung von MVZ an räumliche und fachliche Bedingungen zu knüpfen.

Private-Equity-Gesellschaften fördern Strukturwandel

Einer der wenigen, die eine Lanze für die Investitionen von Private-Equity-Gesellschaften im deutschen Gesundheitswesen brachen, war Frederik Mühl, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltssozietät Clifford Chance.

Er betonte, dass Private-Equity-Fonds in der Regel das Geld von Pensions- und Renten­fonds, darunter auch von ärztlichen Versorgungswerken, sowie Lebensversich­erungen ein­sammelten und gewinnbringend anlegten. Die Fonds hätten eine Katalysator­wirkung, um notwendigen Strukturwandel zu beschleunigen.

Angesichts des demografischen Wandels gepaart mit Fachkräftemangel und medizin-tech­nischem Fortschritt sagte Mühl: „Es gibt einen gewaltigen Investitionsbedarf und ir­gendwoher muss das Geld ja kommen.“ Dabei könne die Strategie der Private-Equity- Ge­sellschaften – kaufen, verbessern, teurer weiterverkaufen – dafür sorgen, bei besserer Qualität effizientere Strukturen zu schaffen.

Kommunen sind mit MVZ-Gründung überfordert

Damit, wie die medizinische Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden kann, beschäftigte sich ein Antrag der AfD, über den der Gesundheitsausschuss ebenfalls beriet. Darin fordert die Partei die Bundesregierung auf, die Gründung kommunaler MVZ aus Steuermitteln zu fördern.

Kommunale MVZ seien eine Maßnahme zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf dem Land, erklärt die AfD. Leider werde diese Möglichkeit von den Kommunen bisher kaum ergriffen. Bundesweit gebe es nicht einmal zehn kommunale Einrichtungen.

Nach Ansicht von Susanne Müller vom Bundesverband Medizinische Versorgungzentren (BMVZ) fehlt den Kommunen schlicht die Systemerfahrung für den Betrieb von MVZ. Sie räumte zwar ein, dass es rein statistisch so sei, dass MVZ überwiegend in Mittel- und Oberzentren gegründet würden. Ausgewiesen würden dabei aber nur die Hauptbetriebs­stätten. Zweigstellen, von denen es viele auch in ländlichen Räumen gebe, würden dage­gen nicht gezählt.

Der KZBV-Vorsitzende Eßer betonte, dass es bei den Zahnärzten im Gegensatz zu den Ärz­ten keine Unterversorgung gebe. Es bestehe deshalb überhaupt kein Bedarf an kommunal betriebenen zahnärztlichen MVZ. Allerdings hält auch Eßer wie Müller die Kommunen beim Betrieb von MVZ für überfordert. Neben hohen Investitionen benötige man dafür eine anspruchsvolle fachliche und betriebswirtschaftliche Expertise.

HK

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