Politik

Grundsatzstreit über gesetzliche und private Krankenversicherung

  • Dienstag, 24. September 2019
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Berlin – Das Nebeneinander der gesetzlichen (GKV) und privaten (PKV) Krankenversi­che­rung wird von Gesundheits- und Rechtsexperten nach wie vor unterschiedlich bewertet. Das zeigte sich gestern in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zu einem Antrag der Linksfraktion.

Gegner der Bürgerversicherung führen ökonomische und rechtliche Bedenken an, Befür­worter sehen darin eine Chance, die Kostenrisiken effektiver abzufedern und mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Die geladenen Sachverständigen äußerten sich in der Anhö­rung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, die PKV abzuschaffen und die Privatversicher­ten in die GKV einzugliedern, um die Zwei-Klassen-Medizin zu überwinden. Die PKV ver­stoße gegen das Prinzip der Solidarität, das dem Sozialsystem zugrunde liege.

Die Beihil­fe des Bundes sollte nach den Plänen der Linken zu einem Arbeitgeberbeitrag in der GKV umgewandelt werden. Die Alterungsrückstellungen in den Bilanzen der PKV seien aufzu­lö­sen und in einen kollektiven Reservestock zu überführen. Für Beschäftigte der PKV wür­den sozialverträgliche Übergänge geschaffen.

Experten uneins

Nach Ansicht des Ökonomen Hartmut Reiners hat das duale System weder eine ökono­mische noch gesundheitspolitische Legitimation. Daher sollte ein einheitliches System für alle Bürger geschaffen werden. Das Geschäftsmodell der PKV könnte auf Zusatzver­siche­rungen begrenzt werden. Auch die Sonderstellung der Beamten, die einen großen Teil der Arztrechnungen über die Beihilfe erstattet bekommen, sei weder ökonomisch noch sozialpolitisch zu begründen.

Auch der Versicherungsexperte Stefan Etgeton befürwortet einen Systemwechsel. Die Aufspaltung der Krankenversicherung in GKV und PKV schränke die Wirksamkeit des So­lidarausgleichs auf die gesetzlich Versicherten ein und schwäche damit deren ökonomi­sche Basis. Der Solidarverlust verletze nicht nur das Gerechtigkeitsgefühl eines großen Teils der Bevölkerung, er stelle auch einen ökonomischen Schaden für die Solidarge­meinschaft der gesetzlich Versicherten dar.

Der Gesundheitsökonom Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht in der Bürgerversicherung hingegen kein Allheilmittel. Es gebe bisher keine gesicherten Belege dafür, dass mit der Ausweitung der Versicherungspflicht der Risiko­ausgleich in der GKV gestärkt werden könne. Auch hinsichtlich des sozialen Ausgleichs seien Zweifel begründet, dass mit der Integration der privat Versicherten die Beitragsbe­messungsgrundlage in der GKV dauerhaft gestärkt werden könne.

Ohne die PKV würde nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes BDA das Gesundheitssystem geschwächt. Der Systemwettbewerb trage zu einer hohen Versorgungsqualität bei und wirke als Kostenbremse. Die PKV sei mit Altersrückstellungen in Höhe von rund 270 Milliarden Euro besonders gut auf den demografischen Wandel vorbereitet.

Der PKV-Verband warnte, bei einheitlichen Honoraren würden 13,2 Milliarden Euro Mehr­um­satz durch die jetzigen Privatpatienten wegfallen. Dies würde zulasten der Investitio­nen gehen und dazu führen, dass die Beiträge für alle Versicherten steigen. Der GKV-Spitzenverband forderte, bei Reformen der Infrastruktur und Versorgung jeweils auch die PKV an der Finanzierung zu beteiligen.

Nach Ansicht des Rechtsexperten Helge Sodan wäre eine „Zwangsversicherung“ für alle Bürger verfassungswidrig. Infrage gestellt wären das Recht auf freie Entfaltung der Per­sönlichkeit sowie das Grundrecht auf Berufsfreiheit bei einer Abschaffung der PKV, sagte Sodan in der Anhörung. Zudem fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz, eine Bür­gerversicherung unter Einbeziehung der Länderbeamten umzusetzen. Das Projekt würde somit schon an den föderalen Vorgaben des Grundgesetzes scheitern.

hib/EB

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