Politik

Hamburg: Gesundheit wird Sozialministerium zugeschlagen

  • Dienstag, 2. Juni 2020
Melanie Leonhard (SPD), Sozialsenatorin und künftig neue Gesundheitssenatorin von Hamburg. /picture alliance, Daniel Reinhardt
Melanie Leonhard (SPD), Sozialsenatorin und künftig neue Gesundheitssenatorin von Hamburg. /picture alliance, Daniel Reinhardt

Hamburg – Hamburg löst die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz als eigen­ständiges Ministerium auf. Das Amt für Gesundheit soll unter einer eigenen Staatsrätin der Sozialbehörde von Senatorin Melanie Leonhard (SPD) unterstellt werden. Darauf ver­ständigten sich SPD und Grüne bei den Koalitionsgesprächen. Sie haben heute drei Mo­na­te nach der Bür­ger­schaftswahl ihre Koalitionsgespräche abgeschlossen.

Die SPD-Landeschefin Leonhard löst damit Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, ab. Sie war eine der dienstältesten Ge­sund­heits­mi­nis­terinnen der Länder, in Hamburg seit 2011 Ministerin – und hatte bereits angekündigt, ihr Amt aufzugeben.

Leonhard sagte heute zur Vorstellung des Koalitionsvertrages, der Vertrag sei aus sozial­demokratischer Sicht etwa mit Blick auf die Sozial- und Gesund­heits­politik „außeror­dent­lich gut verhan­delt“. Unter dem Punkt „Gesundes Hamburg“ (ab Seite 163) widmet sich der Vertrag unter anderem den Plänen zu Krankenhäusern, dem Hebammenmangel oder auch der ambulanten Versorgung.

Der Senat will zum Beispiel „alle rechtlichen Möglichkeiten“ ausschöpfen, um die ambu­lante medizinische Versorgung entsprechend dem Bevölkerungswachstum auszubauen und in allen Stadtteilen eine gute Versorgung insbesondere mit Kinder- und Hausärzten sicherzustellen.

Über die Ankündigung dieser Formulierung hatte sich die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) schon im Vorfeld des Vertrags geärgert. Die KV liest daraus, dass der Se­nat mit allen zur Verfü­gung stehenden rechtlichen Mög­lichkeiten Arztsitze in Ham­burg verlegen will. „Gegen diese staatliche Bevormun­dung werden wir uns wehren“, sagte KVH-Chef Walter Plassmann in einer Mitteilung.

Ein Versprechen gibt der Senat dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Dieser solle angemessen bezahlt werden und zur Arbeit in Krankenhäusern konkurrenzfähig sein, heißt es.

Ungeachtet der geplanten Umstrukturierung der Gesundheitsbehörde hofft der Präsident der Ärztekammer Hamburg, Pedram Emami, auf eine weiterhin sachorientierte und kons­truktive Zusammenarbeit, wie es sie in der Vergangenheit gab. Die vereinbarte Auf­lö­sung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz als eigenständige Behörde könne allerdings „als falsches Signal missverstanden werden, sagte er.

Beim Blick in den Koalitionsvertrag entdeckt der Ärztekammerpräsident einige positive Ansätze: „Dass SPD und Grüne beispielsweise einseitige Renditeorientierung ohne ausrei­chende medizinische Indikation bei medizinischen Versorgungszentren bekämpfen woll­en, begrüße ich ausdrücklich“. Auch die Betonung der Bedeutung des ÖGD sei ein wichti­ger Punkt des Koalitionsvertrages.

Es gebe allerdings auch einige Punkte, bei der die Ärztekammer eine kritische Begleitung ankündigt, beispielsweise bei der Frage, ob und wenn ja wie sich der Senat in die Vertei­lung der Arztsitze auf das Stadtgebiet einmischt. Kritisch sieht Emami auch, dass zehn Pro­zent der Medizinstudienplätze für künftige Hausärzte und/oder den ÖGD reservieren werden sollen.

„Da sollte man lieber die Berufsgruppen stärken, Perspektiven bieten und die Arbeit at­trak­tiver machen, statt Zwangsmaßnahmen zu verhängen und die ohnehin wenigen Me­di­zinstudienplätze noch mit Beschränkungen zu versehen“, sagte er. Unterstützung signa­li­siert der Kammerpräsident beim Thema gesunde Geburt. „Dass wir uns als Ärztekammer an einer neuen Kommission ,Gesunde Geburt' beteiligen, kann ich jetzt schon mal zusa­gen.“

Der Koalitionsvertrag in Hamburg sieht Investitionen von 25 bis 35 Milliarden Euro in den kommenden 20 Jah­ren vor, die unter anderem in einen massiven Ausbau des öffentli­chen Nahverkehrs, Schul­bau, Hafeninfrastruktur und die Entwicklung neuer Stadtteile flie­ßen sollen. Darin sollen auch Konjunkturhilfen des Bundes mitberücksichtigt werden. SPD und Grüne woll­ten ursprünglich im März mit den Verhandlungen beginnen. Der Start wurde wegen der Coronakrise aber verschoben.

Dem Koalitionsvertrag müssen die Grünen am Samstag noch bei einem Kleinen Parteitag und die SPD-Mitglieder online zustimmen. Die Neuwahl des Ersten Bürgermeisters ist für den 10. Juni vorgesehen. Dann kommt die Bürgerschaft zur nächsten regulären Sitzung zusamm­en. Rot-Grün verfügt im Landes­parlament seit der Wahl vom Februar über eine sehr deut­liche Zweidrittelmehrheit.

Verständigt hat man sich darauf, dass die Grünen vier Ressorts im neuen Senat besetzen, die SPD erhält sieben Ressorts. Die Grünen erhalten die Ressorts Wissenschaft, Justiz, Umwelt und die neu geschaffene eigenständige Verkehrsbehörde. Die Verkehrsbehörde wird von der Wirtschaftsbehörde getrennt.

Die Wirtschaftsbehörde bleibt bei der SPD. Sie ist weiterhin zuständig für den Hafen und den Flughafen. Der Bereich Gesundheit soll bei der von der SPD geführten Sozialbehörde angesiedelt werden. Die SPD verantwortet zudem auch künftig die Ressorts Finanzen, Innen, Schule, Stadtentwicklung sowie Kultur.

Ressortverteilungen seien zwar wichtig, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). „Aber es bleibt dabei, dass wir alle an den gemeinsamen Zielen arbeiten, die wir uns mit diesem Koalitionsvertrag gesetzt haben.“ Der 205 Seiten umfassende Vertrag baue auf den Stärken der Stadt auf und nehme „ganz klaren Blick in Richtung Zukunft“, sagte Ka­tha­rina Fegebank, zweite Bürgermeisterin. „Und das haben wir ausbuchstabiert über alle Felder hinweg.“

Die Opposition kritisierte die rot-grüne Vereinbarung. „14 Wochen, ein bisschen Streit, mehr SPD, weniger Grün, 205 Seiten und am Ende steht über allem der Finanzierungsvor­behalt“, konstatierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. Die Linke bemängelte vor allem, dass sich die Grünen mit ihren Forderungen nicht hätten durchsetzen können. Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels sprach von einem „Senat des kleinsten gemeinsamen Nenners“.

may/dpa/afp

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