Haushaltsdebatte: Einigkeit nur bei Notwendigkeit für Reformen

Berlin – Zu später Stunde debattierten die Abgeordneten der fünf Bundestagsfraktionen gestern im Bundestag über den Haushaltsplan 2025 des Bundesministeriums für Gesundheit (Einzelplan 15). Kommende Woche steht bereits die erste Beratung für den Haushalt 2026 auf der Tagesordnung.
Da am Haushalt 2025 für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nur wenig verändert wurde – Oppositionsparteien kritisierten dafür die Koalitionsfraktionen – wurde die Debatte eine Abrechnung über die vielfältigen Meinungsäußerungen zur Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einerseits und ein Lob auf die eigene Arbeit sowie eigene Reformvorschläge andererseits.
In den Haushaltsberatungen für 2025 „sind wir der Aufgabe gerecht geworden“, erklärte Peter Aumer (CDU), als Haushaltspolitiker zuständig für den Bereich Gesundheit. Es habe im BMG einen leichten Aufwachs des Haushaltes gegeben auf nun 19,3 Milliarden Euro. Davon fließen 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds, ebenso werden 2,3 Milliarden Euro als Darlehen an die GKV gegeben, um die Beitragssätze zu stabilisieren.
Dies wird alleine allerdings nicht reichen, damit es für 2026 nicht zu einer Erhöhung der Zusatzbeiträge kommt. Darin waren sich auch alle Gesundheitspolitiker einig.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) betonte, dass Versorgungssicherheit in allen Bereichen eine stabile Finanzsicherheit erfordere. „Das wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Wir wollen die Beitragsspirale der letzten Jahre durchbrechen“, so die Ministerin. Es brauche eine starke Wirtschaft, damit es einen starken Sozialstaat geben könne.
Ministerium plant GKV-Reformen in drei Etappen
Sie kündigte an, dass ihr Ministerium in drei Etappen vorgehen wolle: So solle die Stabilisierung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung für das kommende Jahr erreicht werden, sagte sie. Zwar seien es derzeit „harte Gespräche“, aber das Ziel in der Koalition sei klar, so die Ministerin.
Als zweite Etappe nannte sie die ersten Ergebnisse der gerade berufenen Finanzkommission Gesundheit, die bis zum März 2026 Konzepte vorlegen soll. Daraus wolle man erste Reformen angehen, „alles kommt auf den Prüfstand“. Gleiches gelte auch für die Pflegekommission. Als dritte Etappe bezeichnete Warken „strukturelle Maßnahmen“, die die Finanzkommission bis Ende 2026 vorlegen soll.
Für strukturelle Antworten auf die Finanzierungsfragen warb auch CDU-Politiker Aumer. „Wir gehen die Themen beherzt an.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christos Pantazis, betonte, der Haushalt 2025 sei „ein Bekenntnis zur Investition in die Zukunft. Wir investieren in die Menschen und ihre Gesundheit“.
Vorschläge für Reformen lieferten auch Gesundheitspolitiker aus der Koalition: So erklärte Serdar Yüksel (SPD), dass es deutlich mehr Prävention geben müsse und Versorgung sich nicht nur an Krankheiten festmachen lassen sollten. Er warb dafür, dass „wir endlich über eine Erhöhung der Tabaksteuer, der Zuckersteuer und der Alkoholsteuer sprechen müssen“. Zudem verlangte er mehr Orientierung für die Menschen im komplizierten Gesundheitssystem.
Scharfe Worte von den Grünen
Deutliche Kritik am Haushalt kam von den Grünen: Nicht nur die Gestaltung des Haushaltsbegleitgesetzes oder der Umgang mit der Maskenaffäre, auch die Kürzungen im Bereich von Prävention bei Drogenmissbrauch, die fehlende Finanzierung der Ausbildung der Psychotherapeuten sowie die sinkenden Gelder für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bemängelt.
„Herr Yüksel, Sie können all diese Themen angehen, warum machen Sie es nicht?“, fragte die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, die direkt nach SPD-Politiker Yüksel sprach. Viele Dinge „verweigert dieser Haushalt, hoffentlich wird es für 2026 besser“, so Kappert-Gonther.
Für Ates Gürpinar, Gesundheitspolitiker bei den Linken, ist für die Finanzmisere „mehrere Gesundheitsminister verantwortlich, allen voran Jens Spahn, der von Krankenkassen und Sparkassen sprach und seine Aufgabe wohl nun etwas übererfüllt hat.“
Er kritisierte auch die GKV-Kommission: „Es gibt für sie keine Denkverbote, doch die Dualität des Krankenversicherungssystems von GKV und PKV soll im Grundsatz respektiert werden.“ Dies passe für ihn nicht zusammen.
„Seitdem es keine Denkverbote mehr gibt, sprudeln die Gedanken nur so aus ihrem Haus“, so Gürpinar weiter und spielte damit auf die Vorschläge der vergangenen Tage vom parlamentarischen Staatssekretär Tino Sorge (CDU) und Bundesdrogenbeauftragten Hendrik Streeck (CDU) an.
Eine Auseinandersetzung lieferten sich Gürpinar mit Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Sie sprach nach dem Linken-Politiker – und erklärte „mehr Geld hilft nicht mehr“. Es müsse eine „bessere Leistungssteuerung und keine Leistungskürzung“ geben. Sie setze auf mehr Solidarität und Eigenverantwortung bei der Gesundheit. Es müsse ein sorgsamer Umgang mit den Ressourcen der Versorgung geben.
Für einen besseren Umgang mit Ressourcen im Gesundheitssystem warb auch Axel Müller (CDU): Der Einsatz der Mittel könne besser sein. „Die eine Seite will gut versorgt werden, die andere Seite der Leistungserbringer will gut ausgestattet sein und wenig mit Bürokratie beschäftigt sein“, sagte er. Er warb dafür, dass die vielen geplanten Gesetze sowie ein Pharmagipfel im November neue Wege bringen könnten. „Wir müssen bereit sein, diese zu gehen.“
Bei Klinik-Milliarden droht Mengenausweitung
Mit dem Beschluss zum Bundeshaushalt wurde auch das Haushaltsbegleitgesetz verabschiedet. Damit ist das Sondervermögen Infrastruktur gemeint, das insgesamt 500 Milliarden Euro umfasst. Davon gehen vier Milliarden Euro als „Soforttransformationskosten“ per Rechnungsaufschlag an die Krankenhäuser.
Nach dem Wunsch des Bundesgesundheitsministeriums und der Ministerin sollte diese Auszahlung „schnell und unbürokratisch laufen“ – was ihr deutliche Kritik auch in der Haushalsdebatte einbrachte: So bezeichnete es Paula Piechotta (Grüne) es als „Armutszeugnis“, dass man nun per Gießkanne das Geld auf alle Kliniken verteile. Der Bundesrechnungshof „zerreißt diese Regelung in der Luft“, erklärte sie. Daher frage sie sich: „Wie haben sie es geschafft, dies so durchs Parlament zu bekommen?“
Sie befürchtet, dass es durch die geplanten Rechnungsaufschläge von 3,3 Prozent eine deutliche Mengenausweitung gibt. „Private Klinikkonzerne können dies am besten. Diese Aufschläge werden nicht den kleineren Kliniken in ihren Wahlkreisen zugute kommen“, so Piechotta.
Diese Regelung richte nur Schaden an, denn „Betriebskostenzuschüsse sind keine Infrastruktur“. Dafür sei eigentlich das Geld in dem Sondervermögen gedacht gewesen. „Der BMG-Haushalt ist der größte Sündenfall in diesem gesamten Haushaltsverfahren. So ein schlechtes Haushaltsbegleitgesetz darf nie wieder durch den Bundestag“, erklärte Piechotta.
Dass sie mit ihrer Kritik nicht alleine ist, zeigte auch die Rede der SPD-Politikerin Svenja Stadler, langjährige Haushaltspolitikerin für den Bereich Gesundheit: Diese vier Milliarden das sei eigentlich der „Job der Länder“, sagte sie.
Stadler erklärte: „Wir hätten uns einen anderen Modus gewünscht, der die Gelder besser und ganz konkret an die Häuser verteilt“, so Stadler. Man habe aber eine Regelung eingezogen, dass die Rechnungsaufschläge auf vier Milliarden begrenzt werden. „Wir haben jetzt einen Kompromiss, so ist das jetzt.“
Ein großer Posten im Haushalt ist auch die Forschung zu Long COVID. Stadler erklärte, Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD) habe dafür gesorgt, dass Gelder in die Haushalte des BMG eingestellt worden seien. Sie wisse, dass die Forschung erst am Anfang stehe. „Mir ist bewusst, dass wir da noch einen weiten Weg haben und die Betroffenen darauf warten. Aber es ist ein erster Schritt.“
Grundsätzliche Kritik an Gesundheitspolitik von Linken und AfD
Grundsätzlich kritisierte die Linke vor allem den Umgang mit Steuergeld im BMG in Bezug auf die Maskenbeschaffung und Arzneimittel in der Coronazeit. „Unser Gesundheitssystem funktioniert für Pharmaunternehmen und Lobbyisten. Für alle anderen nicht. Für die große Mehrheit von uns steht das System vor dem Kollaps“, erklärte Tamara Mazzi, Haushalts- und Gesundheitspolitikerin von den Linken. Sie sowie andere aus ihrer Fraktion warben bei den anderen Abgeordneten für eine anonyme Abfrage für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Aus der AfD-Fraktion wurde die Gesundheitspolitik der Bundesregierung an mehreren Stellen kritisiert: So solle es mehr Therapieplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen geben, das System sei derzeit zu sehr überlastet, auch mit Menschen, die nach Deutschland geflüchtet seien. Dies könne so nicht weitergehen, betonte Carina Scheißl (AfD).
Für Christina Baum (AfD) ist es unverständlich, warum weiterhin Gelder aus dem Bundeshaushalt an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fließen. Auch sei das Geld für die Pandemiebereitschaftsverträge „rausgeschmissen“.
Für Martin Sichert (AfD) ist das Gesundheitssystem „ein ungerechtes System für alle. Es dient nicht den Menschen, sondern den Lobbyisten.“ Die Terminproblematik in den Haus- und Facharztpraxen bezeichnete er als „Todesurteil“ für einige gesetzlich Versicherte. Auch ging er die Einsetzung der Expertenkommissionen im Gesundheitswesen scharf an.
Beratungen für 2026 haben bereits begonnen
Direkt nach dem Beschluss des Etats für 2025 beginnen im Bundestag die Beratungen des Haushalts für 2026. Der soll noch vor Jahresende beschlossen werden. Größere Sorgen macht Union und SPD aber jetzt schon das Jahr 2027. Da klafft in der Planung eine Lücke von rund 34 Milliarden Euro.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat alle Ministerien schon zum Sparen aufgerufen, doch das allein dürfte kaum reichen. Der Finanzminister schließt nicht aus, dass eventuell Förderprogramme, Subventionen oder andere Ansprüche gekürzt oder gestrichen werden müssen. Wahrscheinlich ist, dass das Bürgergeld reformiert und billiger gemacht wird. Außerdem ringen Union und SPD darum, ob Vermögende steuerlich härter rangenommen werden, zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer.
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