Höhere Beiträge für Pflegeversicherung unumgänglich

Berlin/Düsseldorf – Die Beiträge zur Pflegeversicherung könnten im kommenden Jahr deutlich stärker steigen als bisher angekündigt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schloss nicht aus, dass die bereits geplante Anhebung nicht ausreichend ist. Nach Ansicht des ehemaligen Pflegebeauftragten der Bundesrierung und heutigen Gesundheitsministers in Nordrhein-Westfalen (NRW), Karl-Josef Laumann, sind höhere Beiträge zur Pflegeversicherung nicht zu vermeiden.
Spahn hatte am Wochenende betont, die Pflegekassen hielten eine Erhöhung um 0,5 Beitragssatzpunkte zum 1. Januar 2019 für notwendig. Er denke, „diese Größenordnung sei „realistisch“. Spahn hatte erst Mitte Juni angekündigt, dass der Satz zum 1. Januar um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden soll. Derzeit müssen gesetzlich Versicherte 2,55 Prozent ihres Bruttoeinkommens zahlen, Kinderlose 2,8 Prozent. Die Beitragsanhebung sollte nach früheren Angaben aus Regierungskreisen jährlich 4,2 Milliarden Euro zusätzlich einbringen und Planungssicherheit bis 2022 schaffen.
Bessere Rahmenbedingungen haben ihren Preis
Die Pflegekassen erwarten für dieses Jahr Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro und ein höheres Defizit von drei Milliarden Euro. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung immer mehr Geld ausgibt – im vergangenen Jahr waren es 38,6 Milliarden Euro. Dabei nimmt die Zahl der Leistungsempfänger weiter zu.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann betonte, die Bedingungen für die Fachkräfte müssten verbessert und mehr Pfleger eingestellt werden. „Die Beschäftigten sollen auch endlich besser bezahlt werden. Das hat natürlich seinen Preis“, sagte er der Passauer neuen Presse. Daher würden die Beitragszahler nicht um höhere Beiträge herumkommen. Die Forderung der Pflegekassen nach einem Anstieg um 0,5 Prozentpunkte halte er für „realistisch“.
Der CDU-Politiker bezeichnete es als „eine der entscheidenden Versorgungsfragen“, mehr Pflegekräfte zu gewinnen. Es warte „nicht die ganze Pflegelandschaft der Welt darauf, nach Deutschland zu kommen“. Das Problem lasse sich nicht outsourcen. „Ich setze zwar auch auf ausländische Pflegekräfte. Aber wir müssen vor allem dafür sorgen, dass der Beruf für die Menschen in unserem Land attraktiv ist.“ Für bessere Löhne müsse man notfalls das Tarifvertragsgesetz ändern. Eine andere Möglichkeit sehe er darin, „dass auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) endlich bereit ist, Tarifverträge abzuschließen“.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, betonte, sie halte es für richtig, die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte anzuheben. „Die Anhebung wird mit den Ausgabensteigerungen begründet, die darauf beruhen, dass die in der vergangenen Wahlperiode in Kraft gesetzten Reformmaßnahmen in der Pflege jetzt greifen“, sagte sie.
Beispielsweise müsse die Pflegeversicherung für mehr Beiträge in die Renten- und Arbeitslosenversicherung von pflegenden Angehörigen aufkommen. Maag sprach von einer ausgesprochen guten Entwicklung, denn Menschen, die zu Hause ihre Angehörigen pflegten, erbrächten eine unerlässliche Leistung für die gesamte Gesellschaft und verdienen daher eine bessere Absicherung. „Deswegen sollten wir gerne bereit sein, hierfür und für weitere wichtige Leistungsausweitungen höhere Beiträge für die Versichertengemeinschaft in Kauf zu nehmen“, erklärte sie.
Kritik von der Opposition
Die FDP übte hingegen scharfe Kritik. „Die Pflegebeiträge werden fast um das Doppelte steigen. Damit drohen die Sozialversicherungsbeiträge die 40-Prozent-Grenze zu überschreiten“, kritisierte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält nichts von einer weiteren Erhöhung. Stiftungsvorstand Eugen Brysch erklärte, Spahn habe bislang kein schlüssiges Konzept für die Altenpflege vorgelegt. Es sei falsch, dass die Ausgaben steigen sollten, obwohl noch gar nicht klar sei, wo „die Reise hingehen soll“.
Die Grünen sind der Meinung, dass noch mehr Mittel notwendig sind. „Die Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte reicht bei Weitem nicht aus, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege zu finanzieren. Das sollten Herr Laumann und Herr Spahn wissen“, sagte Kordula Schulz-Asche, Grünen-Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik im Bundestag. Sie forderte Spahn auf, sich endlich ehrlich zu machen und nicht nur scheibchenweise die Notwendigkeit von Beitragserhöhungen einzuräumen. Um die absehbaren Mehrkosten in der Pflege tatsächlich und fair zu finanzieren, brauche es die Auflösung des Pflegevorsorgefonds, abdämpfende Steuerzuschüsse und eine alle Einkommensarten berücksichtigende Bürgerversicherung.
Die Krankenkassen verwiesen dagegen auf die Kosten einer besseren Versorgung von Pflegebedürftigen. Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, sagte es wäre aber richtig, „neben der Diskussion über die Beitragserhöhung auch über die Einführung eines Bundeszuschusses für die Pflegeversicherung nachzudenken“. Dadurch könnte der Beitragsanstieg abgemildert und die Finanzierung der Pflege auf mehr Schultern verteilt werden.
Senkung bei Arbeitslosenversicherung
„Es gibt generationenübergreifend eine hohe Akzeptanz für Mehrausgaben in der Pflege“, sagte Spahn der Zeitung. Er werbe aber auch bei seinem Kollegen Hubertus Heil dafür, bei der Arbeitslosenversicherung vorhandene Senkungsspielräume zu nutzen, da man die Lohnnebenkosten insgesamt nicht erhöhen wolle.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte zuletzt angesichts steigender Steuereinnahmen vorgeschlagen, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 bis 0,6 Punkte zu senken. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, er halte eine Senkung von 0,6 Prozent für möglich. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, den Beitrag zum 1. Januar 2019 um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent senken zu wollen.
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