Medizin

Immunschutz nach Omikron-Infektion hängt von Impfungen und Vorinfektionen ab

  • Montag, 7. Februar 2022
/Christoph Burgstedt, stock.adobe.com
/Christoph Burgstedt, stock.adobe.com

Innsbruck/San Francisco – Nach einer Infektion mit der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 bilden Geimpfte und Genesene offenbar neutralisierende Antikörper gegen alle Coronavarianten, Ungeimpfte aber nur gegen Omikron – so das Ergebnis einer österreichischen Preprint-Studie.

Eine weitere Preprint-Studie aus den USA legt zudem den Schluss nahe, dass leichte Infektionen, wie sie bei Omikron die Regel sind, mit einem weniger starken Immunschutz einhergehen (medRxiv; DOI: 10.1101/2022.02.01.22270263; DOI: 10.1101/2022.01.25.22269794).

Watzl Tweet 3.2.2022
Screenshot vom 7.2.2022, Quelle: Twitter

Mehrere Virologen, unter anderem Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, aber auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach nahmen diese noch nicht fachlich begutachteten Studienergebnisse zum Anlass und warnten auf Twitter vor einem vermeindlich guten Schutz nach Omikroninfektionen. Andere warnten hingegen vor methodischen Problemen. Das Deutsche Ärzteblatt hat darüber berichtet.

Annika Rössler vom Institut für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck und ihre Kollegen analysierten Plasmaproben von Patienten nach deren Genesung von einer Omikron-Infektion: 15 waren vor der Infektion mit Omikron geimpft, 13 ungeimpft, 10 geimpft und von einer anderen Variante genesen und 13 ungeimpft, aber von einer anderen Variante genesen.

Es stellte sich heraus, dass Geimpfte und Genesene nach der Infektion mit der Omikron-Variante gegen alle Varianten von SARS-CoV-2 geschützt waren, während Ungeimpfte fast ausschließlich neutralisierende Antikörper gegen Omikron gebildet hatten.

Zuvor Geimpfte hatten neutralisierende Antikörper gegen alle Varianten

„Geimpfte und genesene Patienten wiesen nach der Omikron-Infektion hohe Titer an neutralisierenden Antikörpern gegen alle Varianten von SARS-CoV-2 auf“, schreiben die österreichischen Wissenschaftler.

Die Titer an neutralisierenden Antikörpern gegen Omikron waren bei den geimpften Patienten niedriger als die Titer an neutralisierenden Antikörpern gegen andere Varianten von SARS-CoV-2. Sie waren aber vergleichbar mit den Titern von ungeimpften, genesenen Patienten.

Im Gegensatz dazu hätten Proben von ungeimpften Patienten nach einer Omikron-Infektion vorwiegend neutralisierende Antikörper gegen Omikron, und nur hin und wieder gegen die anderen SARS-CoV-2-Varianten enthalten, so die Autoren.

Aufgefrischter Immunschutz durch Impfung oder Infektion

Eine Studie aus den USA zeigt derweil, dass die im Lauf der Zeit abnehmenden neutralisierenden Antikörper bei Geimpften sowohl durch eine Auffrischungsimpfung als auch eine Durchbruchinfektion wieder nach oben getrieben werden.

Das Ausmaß der Antikörperzunahme sei dabei von der Schwere der Erkrankung bei der Durchbruch­infektion abhängig, berichten Venice Servellita vom Department of Laboratory Medicine an der University of California in San Francisco und ihre Kollegen.

Analysiert wurden 239 Plasmaproben von 125 gegen COVID-19 geimpften Personen, von denen 18 (22,2 %) bereits eine Boosterimpfung erhalten hatten. Keiner der Studienteilnehmer war zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert gewesen.

Neutralisationsassays zeigen Antikörperstatus

Die Proben für die Neutralisationsassays wurden mindestens 14 Tage nach der letzten Impfung entnommen. Bei den 63 vollständig geimpften, aber nicht geboosterten Personen waren es 14 bis 305 Tage, bei den 18 geboosterten Personen 2 bis 74 Tage nach der Auffrischungsimpfung.

Die Assays wurden mit Lebendviren und mit virusartigen Partikeln (ohne funktionale Nukleinsäuren) durchgeführt. Insgesamt waren die Titer an neutralisierenden Antikörpern um das 2,5-fache niedriger, wenn Lebendviren verwendet wurden.

Infektion nach Boosterimpfung lässt Antikörper ansteigen

Bei Verwendung virusartiger Partikel waren die Neutralisationstiter gegen Delta und Omikron bei den geimpften, aber nicht-geboosterten Studienteilnehmern um das 2,7-fache bzw. das 15,4-fache reduziert, verglichen mit dem Wildtyp von SARS-CoV-2. Geboosterte Studienteilnehmer hatten dagegen um das 18-fache erhöhte Titer.

Bei Patienten mit Delta-Durchbruchinfektionen waren die Titer an neutralisierenden Antikörpern um das 57-fache beziehungsweise 2,1-fache erhöht, im Vergleich mit nicht-geboosterten und geboosterten Personen. Omikron-Durchbruchinfektionen gingen mit einer Titererhöhung um das 5,8-fache bezie­hungs­weise 0,32-fache einher.

Der Unterschied zwischen den Titern (p=0,049) war assoziiert mit einem höheren Anteil an mittelschwe­ren bis schweren Infektionen in der Delta-Kohorte (p=0,014).

Schwere Erkrankung sorgt für besseren Immunschutz

„Die erhöhten Titer an neutralisierenden Antikörpern bei Delta-Durchbruchinfektionen versus Omikron-Durchbruchinfektionen geht wahrscheinlich auf einen höheren Anteil an mittelschweren bis schweren Infektionen in der Delta-Kohorte zurück“, schreiben die Autoren um Servellita.

Die zelluläre Immunantwort, die nach einer Impfung oder Infektion ausgebildet wird, wurde in den beiden Studien aus Österreich und den USA nicht berücksichtigt.

Warnung vor voreiligen Schlüssen

Der Virologe Björn Meyer vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg warnt vor voreiligen Schlüssen und verwies in einem Twitter-Post auf methodische Probleme in der US-Studie hin. Diese beträfen die Selektion der Sera, der Gruppierung und auch die statistische Analyse. Beispielsweise wird beschrieben, dass die einzelnen Kohorten sowohl immunkompetente als auch immunosupprimierte Patienten beinhaltet hätten, diese jedoch nicht seperat analysiert wurden. Es würden in den nächsten Wochen voraussichtlich größere Studien aus dem Vereinten Königreich kommen, die hoffentlich aussagekräftiger seien, stellte Meyer auf Nachfrage in Aussicht.

Bei der Interpretation der Ergebnisse gilt es außerdem zu beachten, dass sowohl die österreichische als die US-Studie bislang nur als Preprints erschienen sind. Sie haben keinen Peer-Review-Prozess durch­laufen und wurden noch nicht in einem anerkannten medizinischen Journal publiziert.

nec

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung