KBV-Vertreterversammlung: Digitalisierung, Weiterbildung und Arzneimittelversorgung im Fokus

Essen – Strengere Rahmenbedingungen für Videosprechstunden, eine bessere Finanzierung für die Weiterbildung in der ambulanten Praxis sowie mehr Klarheit vom Gesetzgeber bei der Arzneimittelversorgung: Die Mitglieder der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) setzte bei diesen Themen im Vorfeld des 127. Deutschen Ärztetages deutliche Zeichen. So forderten die VV-Mitglieder für die Verordnung von Arzneimitteln eine gesetzliche Klarstellung beim Off-Lable-Use.
Der Hintergrund der Problematik, auf die auch KBV-Vorständin Sibylle Steiner hinwies: Mit dem Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG) führte der Gesetzgeber Anpassungen bezüglich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ein.
Nachforderungen sollten demnach auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung begrenzt werden. KBV und GKV-Spitzenverband hatten sich im Jahr 2020 in der entsprechenden Rahmenvorgabe auf eine Regelung geeinigt, wonach Verordnungen im Rahmen des Off-Label-Uses in die Differenzkostenberechnung einzubeziehen sind.
Diese Rahmenvorgabe wurde allerdings seitens des GKV-Spitzenverbandes im Jahr 2021 gekündigt und über eine Neuregelung konnte keine Einigung erzielt werden. Das Bundesschiedsamt hatte im Mai 2022 eine Bestimmung festgesetzt, wonach unzulässige Verordnungen von der Differenzkostenberechnung ausgenommen sind.
Eine hiergegen gerichtete Klage der KBV wurde vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im April 2023 abgewiesen mit der Begründung, dass letztlich nicht erkennbar sei, ob der Gesetzgeber eine so weitreichende Möglichkeit habe treffen wollen.
„Die Vertreterversammlung setzt sich dafür ein, dass medizinisch begründete Entscheidungen im Rahmen der Verordnungen stärker als bisher geschützt werden“, heißt es in einer Resolution, die einstimmig verabschiedet wurde. Eine gesetzliche Klarstellung solle ausdrücklich regeln, dass Verordnungen im Rahmen des Off-Label-Uses unter die Differenzkostenberechnung fallen, forderten die VV-Mitglieder.
Weiterbildung muss ausfinanziert werden
Änderungen wollen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auch bei der Weiterbildung durchsetzen: Da die künftige Weiterbildung stärker als bislang neben den Krankenhäusern auch in den Praxen stattfinden wird, müsse der zusätzliche Aufwand künftig deutlich besser vergütet werden.
In einem Antrag bekräftigten die VV-Mitglieder, dass es eine ambulante Weiterbildung geben sollte, die in allen Fachgebieten ausgeweitet werden müsse. Die Weiterbildung „in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen ist wesentlich für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in allen Bereichen“, heißt es dort.
Daher soll auch die künftige „Stellung der Ärzte und Psychotherapeuten in Weiterbildung in der vertragsärztlichen Versorgung als auch die Finanzierung der Tätigkeit“ weiterentwickelt werden, heißt es in dem Antrag. Die Tätigkeiten müssten in allen Fachgruppen „ohne finanzielle Barrieren möglich werden“.
Neben der Weiterbildung wollen die niedergelassenen Ärzte auch für die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten (MFA) faire Bedingungen. Carsten König von der KV Nordrhein beklagte, dass es in den Arztpraxen deutlich steigende Zahlen an Ausbildungsplätzen gebe, aber nach der Ausbildung viele MFA von Krankenhäusern abgeworben werden.
Da dort die steigenden Personalkosten komplett refinanziert würden, könnten dort auch ständig höherer Gehälter gezahlt werden. „Wir stehen zur Teampraxis, wir übernehmen die Auszubildenden, aber wir müssen sie auch bezahlen können“, so König.
„Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingung für Medizinische Fachangestellte in der ambulanten Versorgung und eine nachhaltige Nachwuchsgewinnung“, heißt es im entsprechenden Antrag, den die Vertreter einstimmig verabschiedeten. „Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen benachteiligen den ambulanten Bereich und führen zu einer Gefährdung der ambulanten Versorgung“, heißt es weiter.
Auch aus diesem Grund müsse das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der geplanten Krankenhausreform mit der KBV zusammenarbeiten, da „eine Verschiebung von Fachkräften zulasten der Niedergelassenen zu vermeiden“ sei. Und weiter heißt es in dem Antrag: „Quersubventionierungen im stationären Bereich führen zu unfairen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Sektoren.“
Praxisexpertise für Digitalisierungspläne nutzen
Bei den Vorhaben in der Digitalisierung bleiben die Mitglieder der VV kritisch. Die geplante elektronische Patientenakte (ePA) müsse mit dem Wissen aus dem täglichen Praxisalltag weiter entwickelt werden. Nur dann könne die ePA als Herzstück der Digitalisierungsstrategie des Bundes zu einem Erfolg werden.
„In der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung wird die ePA nur dann einen positiven Beitrag leisten können, wenn sie in der Praxis schnell und aufwandsarm genutzt werden kann und ihr Einsatz für die Versorgung der Patientinnen und Patienten Vorteile bietet“, heißt es in einem Antrag der VV zur ePA.
Darin fordern die Vertreter, dass Praxisabläufe durch „versorgungsferne Dritte“ nicht gehört werden dürften, oder Inhalte und Strukturen von anderen nicht bestimmt werden sollten. Die Perspektive der Nutzer in den Praxen müsse auch mitbedacht werden.
Dies hänge vor allem von der „Qualität und Performanz der Praxisverwaltungssysteme“ ab. „Die nachgewiesene Praxistauglichkeit trägt auch dazu bei, dass sich der Aufwand in den Praxen und der Ausgleichsbedarf der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel auf das notwendige Maß beschränkt“, so der Antrag weiter.
Für die künftigen weiteren Ausbau der telemedizinischen Versorgung sowie der Videosprechstunden fordern die Vertreter eindeutige Rahmenbedingungen: So müssen die Ärzte, die ärztliche und psychotherapeutische Leistungen mit digitalen und telemedizinischen Hilfsmitteln erbringen, eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung besitzen.
Es müsse außerdem gewährleistet sein, dass weiterhin die „überwiegende Zahl der Fälle vor Ort in der ärztlichen/psychotherapeutischen Praxis erbracht werden“ und Patienten auch weiterhin „zeitnah“ eine medizinische Anschlussbehandlung in einer Praxis erhalten, wenn dies medizinisch erforderlich ist.
Auch müsse die Wirtschaftlichkeit der Versorgung bei der Ausweitung von Videosprechstunden bedacht werden. „Ungewollte Leistungsausweitungen, die alleine in der Flexibilisierung der Berufsausübung, nicht aber in Versorgungsbedarfen begründet wären, müssen vor dem Hintergrund der Steuerung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung vermieden werden“, heißt es in dem Antrag.
Besonders das Projekt des Europäischen Datenraumes (EHDS) wollen die Mitglieder der VV genau beobachten: So dürften die Rechte der Patientinnen und Patienten nicht ignoriert werden, es müsse auch ein Unterlassen der Registrierung von Patientendaten geben, forderte Anke Pielsticker, stellvertretende Vorsitzende der Vertreterversammlung.
Aus der Sicht der Psychotherapeutin könne eine ePA nur dann gelingen, wenn ein Widerspruchsrecht für Ärzte und Psychotherapeuten sowie für Patienten erhalten bleibt, und weiterhin die Datenweiterleitung untersagt bleibt.
Angelika von Schütz, KV Mecklenburg-Vorpommern, sieht in der Digitalisierung viel zu viel Zwang: So solle die Ärzteschaft gezwungen werden, die ePA zu befüllen sowie das eRezept zu nutzen. „Irgendwann ist dann auch mal Schluss“, sagte sie.
Einen besonderen Blick hatten die VV-Mitglieder auch auf die Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftsdienst. Sie forderten den Gesetzgeber auf, eine gesetzliche Ausnahmereglung zu schaffen, wonach diejenigen Ärzte, die über eine Kooperationsvereinbarung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen am Bereitschaftsdienst teilnehmen (sogenannte Poolärztinnen und -ärzte), von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Für eine entsprechende Regelung hatte sich kürzlich auch der Bundesrat ausgesprochen.
Die VV-Mitglieder wiesen darauf hin, dass andernfalls mit einem erheblichen finanziellen und verwaltungstechnischen Mehraufwand für die KVen zu rechnen sei. Zudem sei eine geringere Partizipation der Poolärzte am Bereitschaftsdienst zu befürchten – mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Versorgung.
Für die im Sommer anstehenden Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband fordern die VV-Mitglieder einen Zuschlag zur Versichertenpauschalen für alle Fachgruppen, die Arzneimittel verordnen. Dieser müsse für den deutlichen Mehraufwand durch Lieferengpässen bei Arzneimitteln, der Neuausstellungen von Rezepten oder eine Therapieumstellung erfordere, künftig gezahlt werden.
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