Politik

Keine Zwangsbehandlung ohne breiten medizinisch-wissenschaft­lichen Konsens

  • Montag, 17. Februar 2020
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Karlsruhe – Ärztliche Zwangsbehandlungen sind nur gegen den Patientenwillen möglich, wenn die Therapie einem breiten medizinisch-wissenschaftlichen Konsens entspricht. Das hat der unter anderem für Betreuungs- und Unterbringungsrecht zuständige XII. Zi­vil­senat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe heute mit einem veröffentlichten Be­schluss (Az. XII ZB 381/19) klargestellt.

Der BGH führte aus, dass der breite medizinisch-wissenschaftliche Konsens sowohl in Bezug auf die Therapie als auch deren Durchführungsform im Wege der Zwangsbehand­lung gelten muss. „Ein derartiger Konsens kann seinen Ausdruck in wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der Bundesärztekammer sowie in medizinischen Leitlinien finden“, hieß es vom BGH.

Im konkreten Fall – der Zwangsbehandlung eines an Schizophrenie Erkrankten mittels Elektrokonvulsionstherapie / Elektrokrampftherapie (EKT) – vermittelten aber weder Stellungnahmen noch Leitlinien einen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens, der die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme bei einem an (nicht katatoner und nicht akut exazerbierter) Schizophrenie leidenden Betroffenen gerechtfertigt wäre.

Zwar könne eine EKT nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen auch zur Behand­lung der Schizophrenie bei vorliegender schwerer depressiver Verstimmung mit Suizida­lität indiziert sein, so der XII. Zivilsenat. Ein depressives Krankheitsbild hätten die sach­verständig beratenen Instanzgerichte aber nicht festgestellt. Daher sei die Einwilligung des Betreuers in die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme im vorliegenden Fall nicht genehmigungsfähig gewesen.

Im vorliegenden Fall leidet der Betroffene an einer chronifizierten paranoiden Schizo­phre­nie. Seit Februar 2018 war er wiederholt untergebracht und wurde – überwiegend zwangsweise – mit verschiedenen Medikamenten letztlich erfolglos behandelt.

Nach Befürwortung durch ein Sachverständigengutachten hatte das Amtsgericht die Ein­willigung des zuständigen Betreuers in die Durchführung einer EKT in Form der elektri­schen Auslösung von sechs großen zerebralen Anfällen mithilfe von uni- oder alternativ bilateral angelegten Elektroden innerhalb von zwei Wochen, außerdem die Einleitung einer Narkose durch Anästhesisten und – wenn der Betroffene von den ärztlichen Maß­nah­men nicht überzeugt werden kann – die Anwendung von Gewalt (Festhalten, 3- bis 5-Punkt-Fixierung) genehmigt.

Das Landgericht Heidelberg hatte die Beschwerde des Betroffenen und seiner Mutter noch zurückgewiesen; die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter beim BGH hatte nun Erfolg. Laut Gesetz darf der Betreuer einer Zwangsbehandlung nur zustimmen, wenn diese „zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesund­heitlichen Schaden abzuwenden“, hieß es vom BGH.

may/dpa

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