Ärzteschaft

Kinder- und Jugendärzte sehen Landarztquote kritisch

  • Montag, 30. Juli 2018
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Düsseldorf – An der geplanten Landarztquote für Medizinstudierende in Nordrhein-Westfalen (NRW) gibt es Kritik von den Kinderärzten. „Die Quote geht am Ziel vorbei“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in NRW, Thomas Fischbach. Am wichtigsten sei es, die Gesamtzahl der Medizinstudienplätze um etwa 30 Prozent aufzustocken, da es nicht nur auf dem Land, sondern in allen Versorgungs­bereichen Nachwuchsprobleme gebe. Ansonsten bleibe die Quote ein Nullsummen­spiel.

Die schwarz-gelbe Landesregierung will, dass NRW zum Wintersemester 2019/20 als erstes Bundesland eine Landarztquote einführt – zunächst für knapp acht Prozent aller Humanmedizinstudienplätze. Wer sich vertraglich verpflichtet, zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten, soll sich auf einen der ersten 168 Landarzt-Studienplätze bewerben können – unabhängig vom bislang üblichen hohen Numerus clausus (NC). Auch in Bayern ist eine Landarztquote geplant, Niedersachsen will zunächst abwarten.

Eingriff in Berufsfreiheit

Fischbach sieht die Pläne als unzulässigen Eingriff in die Wahl eines freien Berufes. „Ich habe ein grundsätzliches Problem damit, jungen Menschen eine Unterschrift abzuringen, wo sie sich verpflichten, in ferner Zukunft in einer bestimmten Region zu leben“, bemängelte er. „Man unterschreibt fast alles, wenn man unbedingt einen Studienplatz haben will und immer schon davon geträumt hat, Arzt zu werden. Es ist kein guter Weg, Menschen auf so subtile Weise unter Druck zu setzen und irgendwohin zu zwingen, wo sie arbeiten sollen.“

Zielführender wäre es aus seiner Sicht, wenn die Politik endlich Daten erhebe, warum so viele Medizinstudiernde gar nicht in der Versorgung ankämen, sondern abwanderten. Solche Studienverlaufsstatistiken erheben nach Angaben des NRW-Wissenschaftsministerium bislang weder die Regierungen noch die Hochschulen.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) wies die Kritik der Kinder- und Jugendärzte zurück. „Wir wollen niemanden zwingen, aufs Land zu gehen. Wir wollen ganz gezielt diejenigen Studienbewerber erreichen, die für das Medizinstudium geeignet sind und aus freien Stücken in unterversorgten Gebieten praktizieren wollen.“ Im jetzigen Auswahlverfahren hätten viele das Nachsehen gehabt.

Das kritisiert auch Fischbach. Dass derzeit ein NC von 1,0 nötig sei, um einen Medizinstudienplatz zu ergattern, sei „absurdes Theater“, pflichtete er dem Minister bei. „Ich bin nicht der Meinung, dass ein hochintelligenter Mensch ausgerechnet ein guter Arzt wird – vielleicht wäre es ein besserer Forscher oder Techniker“, sagte der Solinger Kinderarzt. Er fände es sehr vermessen, „bei einem Zweier-Abitur von einem minderqualifizierten Bewerber auszugehen. Für mich ist 2 gut.“

Selbstverständlich bleibe der Arztberuf ein freier Beruf, versicherte Laumann. Allerdings gebe es Grenzen. „Es ist niemandem – auch nicht den Ärzten – geholfen, wenn alle Hausärzte an einem Fleck praktizieren, während der Rest des Landes leer ausgeht.“ Die Bürger erwarteten zu Recht einen gleichwertigen Zugang zur Ärzteschaft und damit zur medizinischen Versorgung.

Kinderärzte nicht überzeugt

Fischbach überzeugt das nicht: „Sollen Ärzte ausharren in Regionen, wo sogar schon die Polizei, die Supermärkte und der Pfarrer weg sind und demnächst kaum noch Menschen leben?“, fragt er. Besser wären intelligente Versorgungswege – etwa durch Gesundheitsbusse. Die Kinder- und Jugendärzte werfen der Politik vor, in den vergangenen Jahren Studienplätze abgebaut zu haben und nun auf niedrigem Niveau wieder aufzustocken.

Das Wissenschaftsministerium weist das zurück. Demnach hat sich die Zahl der Medizinstudierenden in NRW zwischen 2007 und 2016 um 2.635 auf 16.675 erhöht. „Die Zahl der Studienanfänger liegt in NRW mindestens seit 1993 konstant bei rund 2.100“, sagte eine Sprecherin. Der Hochschulpakt von Bund und Ländern sehe für den Zeitraum 2016 bis 2020 in NRW weitere 1.085 zusätzliche Medizinstudienplätze vor.

Dies werde vor allem mit Modellprojekten an den Universitäten Bonn und Siegen, einer Verdopplung des Angebots an der Privatuniversität Witten/Herdecke und mit der Gründung der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld vorangetrieben, bekräftigte Laumann.

dpa

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