Kinder- und Jugendmediziner kritisieren neues Jugendschutzrecht

Osnabrück – Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) hat das am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene neue Jugendschutzrecht als unzureichend kritisiert.
In einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung warnte DAKJ-Generalsekretär Hans-Iko Huppertz, angesichts der ständig steigenden Nutzungszeit digitaler Medien steige auch die Suchtgefahr durch Onlinespiele. „Wir fordern daher dringend Nachbesserungen“, sagte Huppertz.
Wichtig sei beispielsweise eine altersbezogene Beschränkung des Zugangs zu online verfügbaren Spielen. „Die Anbieter müssten sicherstellen, dass jeder, der ihre Spiele nutzt, ein bestimmtes Alter hat. Es braucht eine formale, technische Zugangskontrolle.“
Als Hintergrund seiner Forderung gab Huppertz die Beobachtungen in den Praxen und Beratungsstellen wieder, wonach Kinder und Jugendliche in diesem Jahr maßgeblich auch aufgrund der Coronabeschränkungen bis zu 50 Prozent mehr Zeit vor dem Computer verbracht hätten als zuvor.
„Digitale Spiele für Kinder und Jugendliche haben ihre Berechtigung. Aber der Umgang mit ihnen muss eingeübt und auch kontrolliert werden“, sagte Huppertz. In vielen Fällen könnten die Eltern dies unabhängig von Mühe und Milieu nicht schaffen. „Daher muss der Staat hier Unterstützung leisten.“ Die Regelungen auch des novellierten Jugendschutzgesetzes reichten nicht aus.
Huppertz regte eine verbindliche Information über Gefahren aller digitalen Spielangebote an. „Unser Vorschlag wäre ein ,Gamescore', der für alle Beteiligten die etwaige Bedenklichkeit von Inhalten klar ausweist", so der DAKJ-Generalsekretär. Einfließen könnten Bewertungen von Gewalt und Erotik. „Insbesondere aber ist es mir wichtig, dass das Suchtpotenzial von Spielen unabhängig bewertet und klassifiziert wird.“
Huppertz wies darauf hin, dass die Anbieter unter Einbindung von Psychologen gezielt Elemente in ihre Spiele einbauten, die abhängig machen sollen. „Da sollten wir nicht wehrlos zusehen“, warnte er. Rechtlich sei es wohl illusorisch – mit Blick auf die massive Suchtproblematik auch bei jungen Erwachsenen sei aus medizinischer Sicht sogar eine Altersgrenze für viele Angebote von 25 Jahren sinnvoll.
Gestern hatte das Bundeskabinett eine Reform des Jugendschutzgesetzes beschlossen. Das neue Jugendschutzgesetz soll Kinder und Jugendliche vor Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexueller Anmache oder Kostenfallen schützen. Ziel ist es zudem unter anderem, Eltern, Fachkräfte und Jugendliche durch einheitliche Alterskennzeichen Orientierung zu geben.
„Unser Jugendschutz ist veraltet und im Zeitalter von CD-ROM und Videokassette stehengeblieben“, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) gestern. Mit dem neuen Jugendschutzgesetz sorge man für Regelungen im digitalen Zeitalter.
Die Reform sieht unter anderem eine einheitliche Alterseinstufung vor. Filme oder Spiele sollen künftig die gleiche Alterseinstufung bekommen, egal, ob sie online gestreamt oder im Geschäft an der Ladentheke gekauft werden. Außerdem sollen bei Alterseinstufungen auch Zusatzfunktionen eines Spiels berücksichtigt und nicht nur auf den Inhalt bezogen werden.
Insbesondere Kontaktmöglichkeiten, die zu Cybermobbing, Anmache und Missbrauch führen können und Kostenfallen etwa durch „Lootboxes“ und glücksspielsimulierende Elemente in Spielen sollen reguliert werden. So könnten etwa Chatfunktionen ein Einfallstor für sexuelle Belästigung sein, hieß es vom Ministerium.
Über verpflichtende Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung von Social-Media-Diensten sollen die Anbieter stärker in die Verantwortung genommen werden.
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