Klimakrise verstärkt mehr als die Hälfte der Infektionskrankheiten

Honolulu – Mehr als die Hälfte der Infektionskrankheiten nehmen in ihrer Häufigkeit oder in ihrer Schwere aufgrund von Extremwettern und weiterer Klimaveränderungen zu. Dies ist das Ergebnis einer im Nature Climate Change veröffentlichten Übersichtsarbeit der Universität Hawaii (2022; DOI: 10.1038/s41558-022-01426-1).
Die Forschenden analysierten 830 Studien und konnten feststellen, dass Klimaveränderungen, wie Erwärmung, Dürren, Starkregen oder Überflutungen 58 % der weltweiten Infektionskrankheiten verschlimmern. Die einbezogenen Studien untersuchten 286 Krankheiten, von denen 277 durch die Klimakrise mehr verbreitet oder in der Krankheitsschwere verstärkt wurden.
Bei den Krankheitserregern handelte es sich vor allem Bakterien und Viren, aber auch Pilzsporen, Algen oder Gifte von Tieren. Die Forschenden glichen die Studienergebnisse mit offiziellen Listen von Gesundheitsbehörden ab, die insgesamt 378 Krankheiten aufführen.
Das Team identifizierte 1.006 mögliche Zusammenhänge zwischen klimawandelbedingten Ereignissen und der Ausbreitung von Krankheiten. Wärme hatte dabei den größten Einfluss, sie wirkte sich auf 160 Krankheiten aus, gefolgt von Niederschlägen mit 122 Krankheiten und Überschwemmungen mit 121 Krankheiten.
Während der Großteil der Erkrankungen sich durch die meisten klimatischen Veränderungen verstärkte, verminderten einige klimatische Veränderungen die Ausbreitung bei 63 Krankheiten. So ist die Verbreitung bestimmter Viren, wie etwa SARS-CoV-2 oder Influenza, bei Wärmezunahme geringer.
Vielschichtiger Zusammenhang erschwert Prävention
Die Forschenden weisen allerdings auf die Vielschichtigkeit der Zusammenhänge hin.
Erkrankungen, die sich aufgrund einer bestimmten Klimabedingung in ihrer Häufigkeit vermindern, können sich aufgrund einer anderen Klimaveränderung vermehren.
Teils sind es auch dieselben klimatischen Bedingungen, die eine Krankheit durch unterschiedliche Mechanismen verstärkt und gleichzeitig vermindert.
„Dürreperioden können beispielsweise die Prävalenz von Malaria oder des Chikungunyafiebers durch die Verringerung der Brutstätten von Stechmücken reduzieren“, sagte Renke Lühken, Ökologe beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. In anderen Fällen könne Dürre dagegen zu einer erhöhten Dichte an Stechmücken in weniger Brutplätzen führen.
Nur bei 3 % (n=9) der Krankheiten konnten die Forschenden eine exklusive Abnahme beobachten. Dazu gehörten beispielsweise rheumatisches Fieber oder Streptokokken Pneumonie. Eine exklusive Zunahme zeigte sich dagegen bei 78 % (n=223) der Krankheiten.
„Diese Vielschichtigkeit macht eine gesellschaftliche Anpassung sehr schwierig, so dass die Reduzierung der Treibhausgasemissionen als wichtigste Gegenmaßnahme weiter im Fokus stehen muss“, sagte Lühken. Er und die Studienautoren sind sich einig, dass „aggressive Maßnahmen" zur Minderung von Treibhausemissionen notwendig sind.
Prävention gegen tropische Krankheitserreger gefordert
„In Deutschland und in Europa beobachten wir schon jetzt den Einfluss durch klimawandelbedingte Ereignisse auf Krankheitserreger“, erklärte Lühken.
Dabei erhöhten insbesondere hohe Temperaturen und ein verändertes Niderschlagsregime das Risiko für Vektor übertragene Krankheitserreger etwa durch Stechmücken. „Dies ist besorgniserregend, da nur für wenige diese Erreger zugelassene Impfstoffe existieren.“
Auch Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) sagte der Funke Mediengruppe, dass es dem RKI ein wichtiges Anliegen sei, die Ärzteschaft für Krankheiten aus tropischen Ländern zu sensibilisieren, da die Klimakrise zu einer Ausdehnung der Lebensräume von Mücken und Zecken führe.
„In Zentraleuropa können wir dabei insbesondere von den Ländern im Mittelmeerraum oder des globalen Südens lernen, die schon viele Jahre mit den sich aktuell ausbreitenden Krankheitserregern konfrontiert sind", so Lühken.
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