Politik

Krankenhausreform: Uneinigkeit über Anpassungen

  • Mittwoch, 17. Dezember 2025
/picture alliance, Daniel Bockwoldt
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Berlin – Neue Leistungsgruppen, mehr Flexibilität oder Nachschärfungen bei den Qualitätsvorgaben: Verbände und Fachgesellschaften im Gesundheitswesen haben viele Vorschläge, wie die Krankenhausreform künftig ausgestaltet werden sollte. Auch die Ärzteschaft hatte sich dazu gestern geäußert.

Heute Abend wird das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) im Gesundheitsausschuss des Bundestags von Fachleuten diskutiert. Das Gesetz soll die Krankenhausreform, die Ende 2024 in Kraft getreten ist, anpassen.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kündigte an, dass die Reform damit praxistauglicher werden soll. Im Kern sieht das KHAG mehr Ausnahmemöglichkeiten für die Länder von den bundesweiten Vorgaben und Fristverschiebungen vor, so dass die Krankenhausreform erst später greifen wird.

Mit dem Gesetz müssten Hürden für notwendige Weiterbildungsverbünde abgebaut werden, forderte der Marburger Bund im Vorfeld der Anhörung. Ohne gesetzliche Ausnahme von einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung sei die zukünftige Organisation der Weiterbildung im Krankenhaus gefährdet und damit auch die zukünftige fachärztliche Versorgung im ambulanten wie stationären Sektor.

„Schon heute sehen wir, wie Weiterbildungsstellen unter Druck geraten, weil Krankenhausstandorte geschlossen, Leistungen konzentriert und Träger fusioniert werden“, sagte die erste Vorsitzende des MB, Susanne Johna. „Wenn der Gesetzgeber hier nicht gegengesteuert und eine durchgängige Weiterbildung an verschiedenen Krankenhäusern und Praxen ermöglicht, ist die fachärztliche Versorgung von morgen in Gefahr.“

Die vorgesehene Kooperationsmöglichkeit zur Erfüllung der Qualitätsvoraussetzungen von Leistungsgruppen könnte auch Rotationen von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung zwischen den beteiligten Häusern vorsehen, schlägt die Ärztegewerkschaft vor. Konkret brauche es eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung, die im Rahmen anerkannter Weiterbildungsverbünde rotieren. Entsprechende Anpassungen sind auch im Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung vorzunehmen, betonte der MB.

Bei den geplanten Krankenhauskooperationen müssten zudem rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen konkreter gefasst werden, heißt es weiter. Der MB setzt sich dabei für bundesweit einheitliche Erreichbarkeitskriterien ein. „Behandlungskontinuität setzt voraus, dass Kooperationen für die Patientinnen und Patienten auch real erreichbar sind. Einheitliche Kriterien wie klare Fahrzeitgrenzen sind dafür unverzichtbar“, sagte Johna.

Krankenhäuser wollen weitere Ausnahmen

Die Krankenhäuser pochten heute im Vorfeld der Anhörung auf weitere Ausnahmen und mehr Flexibilität von bundesweit geltenden Vorgaben abweichen zu können.

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands, forderte, dass die Länder notwendige Gestaltungsspielräume erhalten, um die Reforminhalte vor Ort auf die regionalen Anforderungen und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung abstimmen zu können. „Ansonsten entstehen vor allem in ländlichen Regionen schwerwiegende Versorgungslücken“, fürchtet Rümmelin.

Aus den Fachgesellschaften kommen ebenfalls Nachbesserungswünsche. So fordert die Deutsche Schmerzgesellschaft die Einrichtung einer entsprechenden Leistungsgruppe, um die Spezielle Schmerztherapie künftig sicherzustellen.

„Die Zahlen sprechen für sich: Ohne eine Änderung sind bundesweit 22 Prozent der Standorte, die insgesamt 44 Prozent der Behandlungen der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (OPS-Klasse 8-918) ausmachen, akut von einem Abrechnungsausschluss gefährdet“, sagte Frank Petzke, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Bleibe das KHAG unverändert, würden Behandlungsfälle spezialisierter Schmerzstationen künftig fachfremden Leistungsgruppen wie „Allgemeine Innere Medizin“ oder „Allgemeine Chirurgie“ zugeordnet. Diese Gruppen hätten andere qualitative Mindestanforderungen. Schmerztherapeutische Einrichtungen könnten die für sie unpassenden Auflagen nicht erfüllen und verlören ihre Abrechnungsgrundlage und seien somit für die betroffenen Klinikstandorte wirtschaftlich untragbar, lautet die Befürchtung.

Reform mit tausend Hintertüren

Die Krankenkassen warnten vor einer Verwässerung der Reform. „Was als notwendige Nachjustierung angekündigt wurde, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als eine Reform mit tausend Hintertüren für den Erhalt ineffizienter Strukturen und das Aushöhlen bundeseinheitlicher Qualitätsstandards“, erklärte Christopher Venus, Leiter des Bereichs Vertragspolitik des IKK Bundesverbands.

Die Krankenkassen sprechen von einem drohenden Flickenteppich der Versorgung, aufgrund der geplanten Ausweitung von Ausnahmemöglichkeiten für die Länder. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, kritisierte entsprechend die geplanten Regelungen zur Erfüllung der Qualitätskriterien in Kooperationen und Verbünden.

„Statt an den verbindlichen Qualitätsvorgaben herumzuschrauben, sollte der Gesetzgeber besser die grundsätzlichen Konstruktionsfehler der Reform beseitigen“, forderte sie. So werde dringend die Einführung einer fallzahlunabhängigen und bedarfsorientierten Vorhaltefinanzierung auf Basis von Planfallzahlen benötigt“. Die Verschiebung der Vorhaltefinanzierung um ein Jahr bietet die einmalige Chance, in der gewonnenen Zeit ein wissenschaftliches Bedarfsbemessungsinstrument zu entwickeln“, sagte Reimann.

Ein weiterer Konstruktionsfehler der Reform sei die Vorgabe, dass die Sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zur Vorhaltung von stationären Leistungen verpflichtet würden. „Der Fokus dieser Einrichtungen sollte vielmehr auf der ambulanten Behandlung mit Übernachtungsmöglichkeit liegen.“

Selbstverwaltung muss künftig weiter Mindeststandards setzen

Venus von der IKK kritisiert weiter die geplante Entmachtung der Selbstverwaltung. „Dass gerade bei der Definition und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen künftig weder der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) noch andere Partner der Selbstverwaltung maßgeblich eingebunden sind, ist nicht hinnehmbar.“

Wer die Einflussmöglichkeiten der Selbstverwaltung beschneide, schwäche die Verbindlichkeit von Qualitätsvorgaben und riskiere, dass medizinische Mindeststandards zum Spielball landespolitischer Interessen werden, sagte Venus.

Der Bundesverband Medizintechnologie drängt auf weitere Nachbesserungen. So müssten die Hybrid-DRG sowie ambulante OPS-Leistungen vollständig in Leistungsgruppen, Mindestvorhaltezahlen und Personalvorgaben einfließen. Sollte dies nicht geschehen, entstünden Fehlanreize.

Um die technische Infrastruktur innerhalb der Leistungsgruppen zu erfüllen, brauche es zudem verpflichtende Finanzierungszusagen der Länder. Ansonsten sei mit Standortnachteilen, Nichterfüllung von Qualitätsvorgaben und eine Verschärfung regionaler Ungleichheit zu rechnen.

Aus Sicht des Bundesverbands Pflegemanagement werden wesentliche Reformbausteine im KHAG nicht systematisch miteinander verknüpft, dazu gehörten etwa die Weiterentwicklung der Pflegekompetenzen und Befugniserweiterungen.

Die Vorhaltefinanzierung sei zudem ohne pflegebezogene Kriterien gedacht worden, bemängelte der Verband. Die Streichung der Pflegepersonaluntergrenzen als verbindliches Qualitätskriterium in der Leistungsgruppensystematik kritisierte der Verband ebenfalls. Dies müsse zurückgenommen werden, sonst entstehe die Möglichkeit, Leistungen abzurechnen, obwohl die pflegerische Mindestbesetzung nicht eingehalten werde.

cmk

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