Krankenhausreform: Ärzteschaft pocht weiter auf Nachbesserungen

Berlin – Angesichts der morgigen Anhörung von Sachverständigen im Gesundheitsausschuss des Bundestags weist die Bundesärztekammer (BÄK) auf benötigte Korrekturen bei der Krankenhausreform hin.
„Die Krankenhausreform wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie Versorgungssicherheit, Nachwuchsförderung und Weiterbildungsqualität gleichermaßen stärkt“, sagte heute BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Zwar komme man diesem Ziel mit dem Entwurf für das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) einen Schritt näher. „Gleichwohl sind Korrekturen an dem Entwurf sowie weitere gesetzliche Schritte notwendig.“
Die ärztliche Weiterbildung sei entscheidend dafür, auch zukünftig genügend Fachärztinnen und Fachärzte für die Patientenversorgung zur Verfügung zu haben, betonte Reinhardt. Mit der Reform müssten deshalb regionale Zusammenschlüsse von Krankenhäusern, Arztpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Sinne von Weiterbildungsverbünden gestärkt werden.
Er plädiert dafür, bei der Zuteilung von Leistungsgruppen vorrangig Krankenhäuser zu berücksichtigen, die sich aktiv an Weiterbildung und regionalen Verbünden beteiligen. Rotationen innerhalb dieser Verbünde dürften nicht durch die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes behindert werden, forderte Reinhardt.
Und: Kosten, die durch die Organisation der Anerkennung von entsprechenden Verbünden in den Landesärztekammern entstünden, sollten entsprechend bei den Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben von Krankenhäusern berücksichtigt werden.
Weiter müsse die ärztliche Weiterbildung durch verlässliche und realistische Rahmenbedingungen für die Personalausstattung in den Kliniken gestärkt werden. Die Erprobung eines Personalbemessungsinstrumentes, entwickelt von der BÄK (ÄPS-BÄK), wurde bereits auf dem Weg gebracht. Nach der Evaluation will der Gesetzgeber entscheiden, ob das Instrument verbindlich im Zuge der Reform eingeführt werden soll.
Darüber hinaus braucht es Korrekturen der Reform, um die wohnortnahe Grund- und Notfallversorgung nicht zu gefährden, betonte die BÄK. Gleichzeitig setzt sich die Ärzteschaft dafür ein, die vorgesehene Leistungsgruppensystematik und die entsprechende Expertise in kritischen Bereichen zu bündeln und zu zentralisieren. Weiter kritisiert der Verband die geplante Vorhaltevergütung. Diese sei zu bürokratisch und verfehle das Ziel der Fallzahlunabhängigkeit. Die BÄK fordert eine Neukonzeption, die nicht bis 2027 aufgeschoben werden dürfe, und die sich am Umfang des Versorgungsauftrags sowie der zu versorgenden Bevölkerung orientieren müsse.
Kinder bei den Hybrid-DRG berücksichtigen
Auch für die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehene Weiterentwicklung der Hybrid-DRG brauche es Korrekturen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Menschen mit Behinderungen sind bei den Fällen der sektorengleichen Vergütung laut Gesetz bislang ausgenommen. Diese dürften aber nicht benachteiligt werden, betonte die BÄK. Entsprechend müssten auch diese Personengruppen in den Hybrid-DRG-Katalog integriert werden.
Im KHVVG ist geregelt, dass ab 2026 mindestens eine Million bislang stationär erbrachte Fälle künftig als Hybrid-DRG geleistet werden sollen. Ab dem Jahr 2028 sollen es jährlich mindestens 1,5 Millionen und ab 2030 jährlich mindestens zwei Millionen Fälle sein. Frank Heimig, Geschäftsführer des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), kritisierte kürzlich, dass die politisch vorgegebenen Zahlen auch zur Berücksichtigung von nicht mehr gut ambulantisierbaren Behandlungen führen würde.
Die BÄK fordert weiter, dass im Rahmen der Krankenhausreform auch die Krisenresilienz gestärkt werden müsse. „Neben baulichen Maßnahmen für Klimaanpassung und Investitionen in die Cybersicherheit müssen auch Reservekapazitäten kritischer Versorgungsstrukturen sowie spezialisierte Versorgungsbereiche mitgeplant und umgesetzt werden“, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Beteiligung bei der Weiterentwicklung von Leistungsgruppen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßte in ihrer Stellungnahme, dass Belegärzte in den Vorgaben der Leistungsgruppen umfänglicher berücksichtigt werden sollen. Um diese Qualitätsvorgaben entsprechend weiterzuentwickeln, sollte die KBV hingegen als Mitglied des Leistungsgruppenausschusses mit aufgenommen werden, fordert der Verband.
Weiter erklärte die KBV, dass sie ihre Beschwerde bei der Europäischen Kommission bezüglich der befürchteten Ungleichbehandlung des stationären gegenüber ambulantem Sektor aufrecht erhalte. Entsprechend brauche es parallel ein Praxiszukunftsgesetz, lautet die Forderung.
Die KBV äußerte Bedenken, dass die geplante finanzielle staatliche Förderung für die neuen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zu ungleich langen Spießen führen würde, weil sie Wettbewerbsbedingungen im Vergleich zu Arztpraxen verschärfen könnten. Im Sommer vor zwei Jahren hatte die KBV eine entsprechende Beschwerde an die Europäische Kommission übermittelt.
Die Betriebskrankenkassen warnten im Vorfeld der Anhörung erneut davor, dass die eigentlich vorgesehenen Reformziele verfehlt werden. „Die Krankenhausreform wurde auf den Weg gebracht, um die Versorgungsqualität zu verbessern, Überkapazitäten abzubauen und die Krankenhausversorgung insgesamt zukunftsfähig zu gestalten. Was wir jetzt jedoch erleben, ist ein Rückfall in alte politische Muster, bei dem föderale Sonderwünsche und Ausnahmeregelungen über das Wohl und die Geldbeutel der Beitragszahlenden gestellt werden“, erklärt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.
„Wenn Ausnahmen zur Regel werden und verbindliche Qualitätsanforderungen aufgeweicht werden, werden die Versorgungsniveaus auseinander driften und am Ende entscheidet wieder der Wohnort über die Versorgungsqualität“, sagte Klemm. Damit sei man wieder am Ausgangspunkt vor der Reform. „Dann wären alle Reformbemühungen für die Katz, und es würden Milliarden Euro an Beitragsgeldern aus dem Fenster geworfen“, befürchtet Klemm. Damit spricht sie die vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten für die Bundesländer an, bei der Zuweisung der Leistungsgruppen von den geforderten Qualitätsvorgaben bis zu drei Jahre lang abweichen zu können.
Aus Sicht der Betriebskrankenkassen fehle es an einer ausreichenden fachlichen und medizinischen Kontrolle bei der Mittelverwendung. Man appelliere an die Abgeordneten des Bundestages, die morgige Anhörung zu nutzen, um im parlamentarischen Verfahren nachzuschärfen. Ausnahmeregelungen müssten auf ein absolutes Minimum begrenzt, Qualitätsstandards verbindlich ausgestaltet und die Beteiligungsrechte der Krankenkassen gestärkt werden. Nur mit klaren Regeln, transparenter Verantwortung und einer soliden Finanzierung könne das KHAG einen echten Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen, bezahlbaren und patientensicheren Krankenhausversorgung leisten, so Klemm.
Erste Änderungsanträge zur Überarbeitung des KHAG sind zudem im Vorfeld der Anhörung bekannt geworden. Anträge der Regierungsfraktionen Union und SPD zufolge soll etwa künftig der Medizinische Dienst (MD) weitere Prüfaufträge bekommen. Er soll in den Krankenhäusern zusätzlich prüfen, ob die Voraussetzungen für die Sicherstellungszuschläge, Notfallstufen und Übernahme von besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten eingehalten werden.
Auch die Abgeordneten der Grünen-Fraktion haben eigene Änderungsanträge eingebracht. Diese zielen vor allem darauf ab, Qualitätsstandards nachzuschärfen und Lockerungen, die im KHAG geplant sind, zurückzunehmen. Die Grünen pochen darauf, die ursprünglich geplanten 65 Leistungsgruppen beizubehalten und nicht die Infektiologie, Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie, Spezielle Kinder- und Jugendmedizin sowie Notfallmedizin zu streichen, wie es im KHAG vorgesehen ist.
Auch die Streichung der Erreichbarkeitsvorgaben von Krankenhäusern soll den Grünen zufolge wieder rückgängig gemacht werden. Zudem soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ab 2027 nach Vorstellungen der Grünen mindestens vier neue Mindestmengen für ausgewählte planbare Leistungsbereiche pro Jahr festlegen.
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