Krankenkassen: Debatte um Beitragserhöhungen hält an

Berlin – Zwei Drittel der allgemein zugänglichen gesetzlichen Krankenkassen haben zum Jahreswechsel ihren Beitrag angehoben. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Samstag auf Grundlage der vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen veröffentlichten Beitragsliste. Demnach werden 59 von 88 bundes- oder landesweit geöffneten Kassen teurer. Die Beitragssätze reichen nun von 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens bei der Metzinger BKK bis 16,3 Prozent bei der BKK Viactiv.
Diese Erhöhung muss über Zusatzbeiträge getragen werden – und damit nicht paritätisch, also gleichteilig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern von den Beschäftigten allein. In der Politik ist deshalb eine Debatte über die Finanzierung der Krankenversicherung ausgebrochen.
Neben Beitragssatz auch Qualität beachten
Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, warnte aber davor, alleine wegen des Zusatzbeitrags die Kasse zu wechseln. „Zum Wettbewerb unter den Krankenkassen gehört nicht nur die Höhe des Zusatzbeitrages, sondern beispielsweise auch die Qualität der Beratung sowie Art und Umfang der Zusatzleistungen“, sagte sie der FAZ Auch eine Geschäftsstelle vor Ort sei für viele Menschen wichtig. „Welche Krankenkasse die Richtige ist, sollte man nicht nur an der Höhe des Zusatzbeitrages festmachen“, sagte Pfeiffer.
Das Handwerk schlug vor, gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Krankenversicherung durch den Staat zu finanzieren. „Das gilt vor allem für die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern“, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Peter Wollseifer, der Passauer Neuen Presse vom Samstag. „Staat und Steuerzahler sollten hier die Verantwortung übernehmen.“
„Eine Finanzreform der GKV ist für uns ein ganz wichtiges Projekt, und wir hoffen, dass die große Koalition das jetzt noch aufgreift“, forderte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Spätestens in der kommenden Wahlperiode sollte das Thema angegangen werden.
Ersatzkassen: Beitragssatz wieder selbst bestimmen
Die Arbeitgeber sollten wieder an den Kostensteigerungen beteiligt werden. Zudem sollten die Verwaltungsräte der Krankenkassen den Beitragssatz wieder selbst festlegen können. „Und der dritte Punkt ist eine Finanzreform, die das Verhältnis der Krankenkassen untereinander betrifft“, fügte die vdek-Chefin hinzu. Der heutige Mechanismus des Risikostrukturausgleichs, der die Beitragsgelder zwischen den Krankenkassen verteilt, benachteilige die Ersatzkassen.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) setzt dort an. „Wir brauchen ein Risikostrukturausgleichsystem unter den Kassen, das Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck etwas weniger berücksichtigt und die selteneren, aber teuren Krankheiten etwas mehr“, sagte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas. Der derzeitige Ausgleich setze für die Krankenkassen keine Anreize, in die Vermeidung von Krankheiten zu investieren, sondern konterkariere solche Bemühungen sogar.
Nahles: Parität bei Krankenkassenbeiträgen mit Koalitionspartner nicht umsetzbar
Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) sprach sich unterdessen für eine Rückkehr zur gleichmäßigen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. „Ich bin ganz klar für eine volle Parität bei den Krankenkassenbeiträgen“, sagte Nahles am Samstag in Hürtgenwald bei Aachen. „Ich halte es momentan nicht für wahrscheinlich, dass wir dafür Mehrheiten mit dem Koalitionspartner organisieren“, räumte sie ein. „Aber grundsätzlich ist das sehr wohl die richtige Einstellung, weil wir – wenn wir das über 20 Jahre betrachten – sonst eine sehr einseitige Belastung der Arbeitnehmer haben.“
Auch Grüne und Linke fordern die Rückkehr zur paritätischen Gesundheitsfinanzierung. Die Sprecherin der Grünen für Gesundheitspolitik, Maria Klein-Schmeink, nannte es "absolut inakzeptabel", dass die Union weiterhin an einer Belastung der Arbeitnehmer festhalte. "Die gestiegenen Zusatzbeiträge müssen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fair aufgeteilt werden", erklärte sie am Montag.
Ähnlich äußerte sich der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger. Die Rückkehr zu Parität wäre nur ein erster Schritt zu einer solidarischen Bürgerversicherung, die Schluss mache "mit der Zwei-Klassen-Medizin nach Kassenlage", erklärte er.
Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt wandte sich dagegen in der Passauer Neuen Presse vom Montag gegen den Vorstoß der SPD, beide Seiten künftig wieder gleichermaßen zu belasten.
„Mit uns wird es hier keine Änderungen geben", sagte Hasselfeldt der Zeitung. Der Arbeitgeberbeitrag sei "aus guten Gründen" eingefroren worden. Es gehe um stabile Lohnnebenkosten, die Jobs in Deutschland sicherten.
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