Politik

Krankschreibung per Telefon dauerhaft für fünf Tage möglich

  • Donnerstag, 7. Dezember 2023
/picture alliance, Hannes P Albert
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Berlin – Die telefonische Krankschreibung ist nun dauerhaft möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die in der Pandemie geltende Regelung nun in die Regelversorgung übernommen. Damit ist es möglich, der Arztpraxis bekannte Patientinnen und Patienten nach einem Telefonkontakt für fünf Tage krankzuschreiben, sofern keine schwere Symptomatik vorliegt.

Eine telefonische Krankschreibung soll dann greifen, wenn keine Videosprechstunde möglich ist. Der Beschluss tritt nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums mit dem heutigen Tag in Kraft.

In der Debatte im Plenum des G-BA hatten die Vertreterinnen und Vertreter von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) sowie von der Patientenvertretung gefordert, am Telefon sowie bei der Videosprechstunde sieben Tage möglich zu machen. Die Vertreter des GKV-Spitzenverbandes verlangten dagegen fünf Tage, um hier in der generellen Systematik der Krankschreibungen zu bleiben.

Es müsse auch einen Unterschied zwischen Video- und Telefonsprechstunde geben, so die Argumentation des GKV-Spitzenverbands. Dieser Argumentation schlossen sich mit dem G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken sowie der Unparteiischen Monika Lelgemann zwei der drei unparteiischen Mitglieder des G-BA an.

Der Argumentation traten die Vertreter der KBV sowie eine Vertreterin der Patientenvertretung entschieden entgegen: „Es ist völlig unerheblich, ob das ehrliche Gespräch zwischen Arzt und Patient am Telefon oder per Video stattfindet. Es darf keine A-, B- oder C-Krankschreibung geben“, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KBV. „Was passiert, wenn das Video abbricht und es dann nur noch einen telefonischen Kontakt gibt?“

In dem Beschluss werden zwar keine Erkrankungen mehr ausgeschlossen. „Aber Harnwegsentzündungen oder Bauchweh sehe ich weder am Telefon oder Video. Da muss ich als Arzt entscheiden, ob ich den Patienten nicht doch in die Praxis einbestelle“, so Hofmeister. Im „täglichen Doing“ betreffe die künftige telefonische AU vor allem die Infekte. „Das ist auch das wichtige für die Arztpraxen.“

Auch Sabine Häfner von der Patientenvertretung forderte klare und eindeutige Regelungen für Patienten. „Die technischen Möglichkeiten dürfen nicht von einer Krankschreibung von fünf oder sieben Tagen abhängen." Die Patientenvertretung forderte auch die KBV und den GKV-Spitzenverband auf, zügig für die Krankschreibung für Eltern bei kranken Kindern eine analoge Regelung zu finden. Für diese Regelung ist der G-BA nicht zuständig, erläuterte GBA-Vorsitzender Hecken. Sibylle Steiner erklärte für die KBV, man sei hier schon auf die Krankenkassen zu gegangen.

Die Unparteiische Lelgemann, zuständige Vorsitzende des Unterausschusses „Veranlasste Leistungen" erklärte im Nachgang der Plenumssitzung: „Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Krankschreibung zweiter Klasse. Unsere Regelungen zur telefonischen Krankschreibung tragen der besonderen Verantwortung Rechnung, dass Krankschreibungen eine hohe arbeits- und sozialrechtliche sowie wirtschaftliche Bedeutung haben.

Für den G-BA steht im Vordergrund, dass die medizinische Sorgfalt bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit immer gewährleistet sein muss – das gilt selbstverständlich auch für die telefonische Anamnese. Und bei Bedarf müssen die Symptome durch eine unmittelbar persönliche Untersuchung abgeklärt werden. Diese stellt nach wie vor den Standard in der ärztlichen Versorgung dar.“

Die Entscheidung traf in der Gesundheitspolitik sowie bei Ärzteverbänden auf Zustimmung: „Ich danke dem Gemeinsamen Bundesausschuss, dass er gründlich und schnell den Auftrag des Gesetzgebers umgesetzt hat", erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Anschluss. Der Auftrag an den G-BA wurde im Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz festgelegt.

„So entlasten wir die Arztpraxen und Patienten gleichermaßen. Das ist gerade in Infektionszeiten wie jetzt besonders wichtig“, so Lauterbach weiter. Auch einige Gesundheitsminister der Länder, darunter Julia Gerlach (CSU, Bayern) oder Clemens Hoch (SPD, Rheinland-Pfalz) sowie Stefanie Drese (SPD, Mecklenburg-Vorpommern) begrüßten die Entscheidung.

Auch die Verbände der Ärzteschaft bewerten die Entscheidung positiv: „Dass die Hausarztpraxen nun wieder die Möglichkeit haben, Patientinnen und Patienten, die der jeweiligen Praxis bereits bekannt sind, telefonisch krankzuschreiben, ist eine echte Entlastung für die Hausarztpraxen und eine Erleichterung für die Patientinnen und Patienten“, sagte der Vorsitzende des Hausärztinnen und Hausärzteverbandes, Markus Beier.

Zwar könne damit nicht alle Probleme in den Praxen gelöst werden, aber „sie ist ein wichtiges und bewährtes Instrument, das kurzfristig für Entlastung in dieser sehr angespannten Situation sorgen wird.“ Missbrauch fürchtet Beier nicht: Durch die Vorgabe, dass die Patienten in der Praxis bekannt sein müssen, führe „diese persönliche Beziehung dazu, dass das Missbrauchsrisiko, das ja insbesondere von Arbeitgeberseite immer wieder angeführt wird, gering ist. Das zeigen auch die Erfahrungen während der Coronapandemie.“

Kritik kam allerdings von den Arbeitgeberverbänden: So bewertet die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung als „Fehlleistung der Gesundheitspolitik“.

„Damit wird eine Krankschreibung qualitativ entwertet, obwohl sie Grundlage für eine Lohnfortzahlung ist. Dies wird auch einen negativen Einfluss auf den Betriebsfrieden haben, da eine Untersuchung in einer Praxis stets Grundlage für eine gesicherte Diagnose-Stellung war“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. „Im teuersten Gesundheitswesen der Welt sollen Krankschreibungen per Telefon erfolgen, weil die Politik die Hausärzteversorgung jahrelang vernachlässigt hat.“

Bereits vor dem neuen Beschluss hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, betont: „Wir haben in der Coronapandemie die Erfahrung gemacht, dass Patienten und Ärzte sehr verantwortungsbewusst mit dieser Möglichkeit umgegangen sind." Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass sich das jetzt ändern würde, sagte er der Rheinischen Post.

bee

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