Vermischtes

Krebsmedikamente: 61.980 Mal wirkungslos

  • Mittwoch, 19. Juli 2017

Essen – Der wegen Betrugs mit Krebsmedikamenten angeklagte Bottroper Apotheker soll in 61.980 Fällen Krebsmedikamente gepanscht und die Krankenkassen dabei um 56 Millionen Euro geprellt haben. Diese Details aus der Anklage teilte die Staats­anwalt­schaft Essen heute mit.

Betroffen sei „eine niedrige vierstellige Zahl von Patienten“, bestätigte eine Behörden­sprecherin. Konkret soll der Apotheker unter anderem bei Chemotherapien so wenig Wirkstoff verwendet haben, dass die Medikamente kaum oder keine Wirkung hatten. Außerdem soll er gegen weitere Vorschriften verstoßen haben.

Vesonders schwere Verstöße gegen Arzneimittelgesetz

Jeden einzelnen der Fälle wertet die Staatsanwaltschaft als besonders schweren Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Angeklagt werden außerdem versuchte Körper­verletzung und gewerbsmäßiger Betrug. Der Apotheker habe „die Beschaffungspraxis seiner Apotheke systematisch so ausgerichtet“, dass Medikamente mit zu wenig Wirk­stoff hergestellt wurden.

Der errechnete Schaden von 56 Millionen Euro beziehe sich allein auf gesetzliche Krankenkassen. Mehr als 10.000 Fälle, die unter anderem mit privaten Krankenver­siche­rungen abgerechnet wurden, seien aus Gründen der Vereinfachung gar nicht erst berücksichtigt worden. Der Beschuldigte sitzt in Untersuchungshaft. Das Gericht muss die 820-seitige Anklage nun prüfen und dann entscheiden, ob es ein Verfahren eröffnet.

Patientenvertreter fordern unterdessen Konsequenzen und schärfere Kontrollen für solche Apotheken, die selbst Medikamente herstellen. „Die Kontroll-Regeln für Schwerpunkt-Apotheken sind miserabel“, kritisiert Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) müsse jetzt die gesetzlichen Kontroll-Regelungen verschärfen.

„Das Risiko, bei einem solchen Betrug entdeckt zu werden, muss größer werden“, forderte auch Jürgen Heckmann von der Deutschen Ilco/Darmkrebs-Selbsthilfegruppe. Der Paritätische Wohlfahrtsverband verlangt in einer Petition, es müsse regelmäßige unangekündigte Überprüfungen geben, „eine Plausibilitätskontrolle des Wareneingangs und Warenausgangs“, nicht verwendete Präparate müssten stichprobenartig kontrolliert werden.

dpa

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