Politik

Künast und Beck: Beschneidung ist keine Straftat

  • Montag, 9. Juli 2012
Uploaded: 09.07.2012 17:17:16 by mis
dpa

Berlin – Nach dem Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts haben die Grünen-Parlamentarier Renate Künast und Volker Beck Rechtssicherheit für die in Deutschland lebenden Juden und Muslime gefordert.

„Wir möchten für eine differenzierte Betrachtung der grundrechtlichen Kollisionslage zwischen dem Schutz körperlicher Unversehrtheit der minderjährigen Jungen, dem Erziehungsrecht der Eltern und der Religionsfreiheit werben", schrieben Künast und Beck in einem auch von weiteren Grünen-Politikern unterzeichneten Beitrag für die Berliner Zeitung vom Montag.

Die teilweise oder vollständige Entfernung der Penisvorhaut greife zweifelsohne in die körperliche Integrität des zu Beschneidenden ein, hieß es in dem Beitrag weiter. „Rechtswidrig wird sie jedoch nur, wenn bei minderjährigen Jungen keine Einwilligung der Eltern vorliegt oder diese gegen die guten Sitten verstößt.“  

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Das Kölner Gericht hatte dagegen in seiner Entscheidung vom Mai die Auffassung vertreten, die Beschneidung von Jungen aus rein religiösen Gründen sei als Körper­verletzung strafbar. Sie sei auch nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, da sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Dessen Körper werde durch die in Islam und Judentum verbreitete Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“. Das rechtskräftige Kölner Urteil ist nicht für andere Gerichte verbindlich.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, empfahl derweil Medizinern, religiös begründete Beschneidungen von Jungen gegenwärtig nicht mehr vorzunehmen. „Wir raten allen Ärztinnen und Ärzten, wegen der unklaren Rechtslage den Eingriff nicht durchzuführen“, sagte Montgomery der Hamburger Regionalausgabe der Welt vom Montag. Das Kölner Urteil sei für „Ärzte unbefriedigend und für die betroffenen Kinder sogar gefährlich“. Denn nun bestehe die große Gefahr, dass dieser Eingriff von Laien vorgenommen werde.

Nach Einschätzung des Arztes und Psychoanalytikers Matthias Franz kann die Entfernung der Vorhaut im Säuglings- und Kindesalter für den Betreffenden ein Trauma darstellen „und kann zu andauernden körperlichen, sexuellen und psychischen Komplikationen und Leidenszuständen führen“, schreibt der Mediziner in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Montag. Anders als bei der weiblichen Beschneidung gebe es aber in der Öffentlichkeit bis heute kein ausreichendes Problembewusstsein für negative Folgen der Beschneidung.

Franz kritisierte das Ritual als archaischen Ausdruck patriarchalischer Kulturen. Der „ängstigende Gewaltaspekt“ des Eingriffs werde von den beteiligten Erwachsenen geleugnet. „Der kleine Junge, der ja in keiner Weise an der Schwelle zum Mannesalter steht, wird mit hypermaskulinen Attributen und großen Geschenken zum Mann erklärt, eigentlich aber von den Erwachsenen manipuliert.“

Abhängig vom kindlichen Entwicklungsstadium zum Zeitpunkt des Eingriffs seien bei den Kindern psychotraumatische Folgen bis ins Erwachsenenalter möglich, so Franz, der an afp/kna

afp/kna

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