Regierung will religiös begründete Beschneidung rechtlich absichern

Berlin – Die religiös begründete Beschneidung von Jungen soll nach dem Willen der Bundesregierung weiter straffrei bleiben. Nach der Debatte über das Kölner Beschneidungsurteil strebe die Regierung nun schnell „Rechtsfrieden“ für muslimisches und jüdisches Leben in Deutschland an, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin. Die SPD zeigte sich bereit, die Rechtmäßigkeit von Beschneidungen gesetzlich festzuschreiben.
Seibert unterstrich, „verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen" müssten in Deutschland straffrei möglich sein. „Es bereitet uns Sorge, dass die Ausübung dieser alten, uralten religiösen Bräuche derzeit sich nicht in einer Situation des Rechtsfriedens befinden", sagte der Regierungssprecher. „Uns ist bewusst, dass gerade für die jüdische Religion die frühe Beschneidung von großer Bedeutung ist und dass es auch zeitlich dringend geboten ist, diesen Rechtsfrieden wiederherzustellen.“
Wie dies geschehen könne, werde derzeit mit den zuständigen Ressorts und mit Beteiligung der Bundesregierung besprochen. „Wir wissen, da ist eine zügige Beteiligung notwendig, da kann nichts auf die lange Bank geschoben werden", sagte Seibert. Die Freiheit der religiösen Betätigung sei für die Bundesregierung „ein hohes Rechtsgut".
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will unterdessen prüfen, ob sich eine Legalisierung religiös begründeter Beschneidungen im Patientenrecht verankern lässt. „Wir werden diskutieren, ob das im Patientenrecht geregelt werden kann", sagte Bahr der Zeitung Die Welt vom Samstag. Es bleibe abzuwarten, „ob dieser Weg rechtlich überhaupt gangbar ist". Er gehe davon aus, dass bald Vorschläge des Bundesjustizministeriums vorliegen, "wie wir eine Straffreiheit der Beschneidung sicherstellen können".
Montgomery warnt Ärzte vor Beschneidungen
Die Bundesärztekammer riet ihren Mitgliedern wegen der unklaren rechtlichen Lage davon ab, rituelle Beschneidungen vorzunehmen. „Das Urteil des Kölner Landgerichts, wonach die Beschneidung Körperverletzung sei, halte man zwar für sehr kulturunsensibel und falsch", sagte Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery dem Berliner Tagesspiegel vom Sonntag.
Gleichwohl müsse die Kammer derzeit jedem Mediziner davon abraten, den Eingriff vorzunehmen. Wer dies dennoch tue, laufe Gefahr, strafrechtlich belangt zu werden. Das Urteil habe „große Rechtsunsicherheit" produziert, sagte Montgomery. Deshalb sei eine schnelle und klare rechtliche Feststellung wünschenswert.
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und die frühere SPD-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries betonten in einer gemeinsamen Erklärung, religionsbedingte Beschneidungen von Jungen dürften „in Deutschland nicht strafbar sein“. Sollte nach dem Kölner Urteil „eine größere Rechtsunsicherheit bei den Ärzten eintreten, muss im Sinne des Rechtsfriedens über eine gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung der religionsbedingten Beschneidung bei Jungen bis zu einem bestimmten Alter neu nachgedacht werden“. „Die SPD wäre in diesem Fall zu einer gesetzlichen Klarstellung bereit“, hieß es weiter in der Erklärung.
Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte zu den Regierungsplänen für eine gesetzliche Regelung der Zulässigkeit von Beschneidungen, ein „Sturm der Entrüstung“ habe die Bundesregierung „endlich zur Einsicht gebracht“. Der Umgang mit Religionsfreiheit, den jüdischen und muslimischen Aufnahmeriten und eine Abwägung von Grundrechten erfordere viel Sensibilität. „Jetzt müssen sich die Fraktionen sehr zeitnah zusammensetzen und eine Lösung finden, die Rechtssicherheit schafft.“
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), begrüßte die Initiative der Bundesregierung. „Die jüdischen und muslimischen Menschen in unserem Land müssen ihren Glauben leben können“, erklärte Böhmer in Berlin. Die derzeitige Rechtslage sorge bei vielen jüdischen und muslimischen Menschen für eine große Verunsicherung. „Umso wichtiger ist es jetzt, zügig Rechtssicherheit zu schaffen.“
Das Kölner Landgericht hatte in seinem Urteil die Auffassung vertreten, die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen sei als Körperverletzung strafbar. Daran ändere auch eine Einwilligung der Eltern nichts, da eine solche Zustimmung nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Dessen Körper werde durch die Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“. Das für andere Gerichte nicht verbindliche Urteil war vor allem bei islamischen und jüdischen Verbänden in In- und Ausland auf scharfe Kritik gestoßen.
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