SPD und Grüne wollen gesetzliche Straffreiheit für Beschneidung
Berlin – Nach dem Kölner Beschneidungsurteil mehren sich die Forderungen nach gesetzlich verankerter Straffreiheit für Beschneidungen von Jungen. Politikerinnen von SPD und Grünen sprachen sich am Donnerstag dafür aus, die Möglichkeiten für entsprechende gesetzliche Regelungen auszuloten und so Rechtssicherheit für Muslime und Juden herzustellen.
Die SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht vertrat die Auffassung, die Debatte müsse „dringend“ versachlicht werden. Das Kölner Urteil habe „keinerlei bindende Wirkung und müsste erst höchstrichterlich in Karlsruhe bestätigt werden“. Niemand wolle in Deutschland ernsthaft die Religionsfreiheit beschränken. Eine gesetzliche Regelung müsse die „tradierten religiösen Rituale“ dahingehend schützen, dass die Ausübung dieser Praktiken straffrei bleiben könne. Lambrecht fügte hinzu, hilfreich sei „in solch zentralen Fragen der Grundrechte eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht“.
Auch die Grünen streben nach den Worten ihrer Fraktionschefin Renate Künast eine Gesetzesregelung für die Zulassung von religiös begründeten Beschneidungen an. „Wir wollen nach der Sommerpause zusammen mit Fachleuten und Verbänden diskutieren, ob es einen Weg gibt, dieses Problem gesetzlich zu regeln und Rechtssicherheit für Juden und Muslime zu schaffen“, sagte Künast der Welt vom Freitag.
Ihr gehe es darum, in Abwägung von drei Grundrechten – körperliche Unversehrtheit des Kindes, elterliches Sorgerecht und Religionsfreiheit – „einen Weg zu finden, bei dem die Beschneidung nicht bestraft wird“.
Orthodoxe Rabbiner aus Europa riefen derweil die jüdischen Gemeinden hierzulande auf, an der Praxis der rituellen Beschneidung festzuhalten. Gemeinden und Eltern sollten „nicht auf eine Änderung der richterlichen Entscheidung warten“, sagte der Präsident der Europäischen Rabbiner-Konferenz, Pinchas Goldschmidt, bei einem Treffen der Konferenz in Berlin zum Thema Beschneidungen. Sollte das Kölner Urteil in Gesetzesform gegossen werden, würde dies bedeuten, dass es für einen großen Teil der jüdischen Gemeinden „keine Zukunft in Deutschland“ geben werde, sagte Goldschmidt.
Das Kölner Landgericht hatte in seiner umstrittenen Entscheidung befunden, die Beschneidung von Jungen aus rein religiösen Gründen sei eine strafbare Körperverletzung. Daran ändere auch eine Einwilligung der Eltern nichts, da eine solche Zustimmung nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Dessen Körper werde durch die im Islam und im Judentum verbreitete Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“.
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