Lauterbach verteidigt Gesundheitshaushalt, viel Kritik

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat geringere Ausgaben für das Gesundheitssystem unter Hinweis auf den Wegfall von Kosten für die Coronapandemie verteidigt. Der vorgesehene Etat sei „der am stärksten schrumpfende Gesundheitshaushalt, den wir lange gehabt haben“, sagte Lauterbach heute in der Haushaltsdebatte des Bundestags. Dies sei jedoch nur darauf zurückführen, dass hohe Pandemiekosten jetzt nicht mehr anfallen.
Im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie wachse der Etat. „Somit haben wir keinen insgesamt schrumpfenden Haushalt, sondern einen sich stabilisierenden Haushalt“, betonte der SPD-Politiker. Mit den hohen Ausgaben sei Deutschland besser durch die Pandemie gekommen als viele anderen europäischen Länder. Jetzt gehe es wieder um die „Alltagsaufgaben“.
Lauterbach warb erneut für seine Krankenhausreform. Das deutsche Gesundheitssystem sei „chronisch krank“ – zu hohen Ausgaben stünde „keine gute Ergebnisqualität“ gegenüber. Die Lebenserwartung habe sich nicht so gut entwickelt wie in anderen europäischen Ländern. Zudem gebe es große Unterschiede in der Lebensqualität zwischen Arm und Reich. Der Minister macht dafür einen Reformstau und „ein durch und durch ökonomisiertes System“ verantwortlich.
„Wir müssen weg von der Ökonomie und zurück zur Medizin“, sagte er. Lauterbach versprach die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen und die Produktion von Medikamenten wieder nach Deutschland zu holen. Um die Pharmaforschung attraktiver zu machen, wolle er ein Medizinforschungsgesetz auf den Weg bringen. Der SPD-Politiker lobte außerdem die Zusammenarbeit der Regierungskoalition: „In der Gesundheitspolitik kann ich nur sagen, die Ampel wirkt – sie wirkt durch Geschlossenheit.“
Erhebliche Einsparungen
Die erste Beratung des Etatentwurfs von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) endet am morgigen Freitag. Im Dezember soll der Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet werden. Der Etat ist geprägt von Sparzwängen in unterschiedlichen Bereichen. Für das Gesundheitsressort bedeuten die Sparpläne derzeit, dass der Bundeszuschuss für die gesetzliche Pflegeversicherung komplett entfallen soll.
Um dennoch Leistungskürzungen zu vermeiden, werden in gleicher Höhe Zahlungen in den Vorsorgefonds vermieden, der eigentlich für langfristige Beitragsstabilität sorgen soll. Zudem dürften Mehrkosten etwa aktuell durch die Anhebung des Pflegemindestlohns die ohnehin hohen Eigenanteile der Pflegebedürftigen weiter in die Höhe treiben.
Der Zuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bleibt zwar formal stabil. Da es in den vergangenen Jahren aber Sonderzuschüsse gab, steht den Krankenkassen tatsächlich weniger Geld zur Verfügung. Zudem werden Kosten aus dem Bundeshaushalt zur Bundesagentur für Arbeit verschoben. Gekürzt wird im Haushalt unter anderem auch bei Prävention und globalen Gesundheitsausgaben.
Paula Piechotta (Grüne), Berichterstatterin im Haushaltsausschuss, stellte klar, dass „natürlich“ alle aus der Ampelkoalition wüssten, dass es „kein schöner Haushalt“ sei. Es sei „kein Haushalt, bei dem man in Freudenschreie ausbricht“. Zur Wahrheit gehöre auch, man habe in den vergangenen zwei Jahren Haushalte beraten, die für den Gesundheitsbereich „brutal hoch" gewesen seien.
Normalerweise gehe es im Haushalt des Bundesgesundheitsministeriuims im Wesentlichen um die Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung, sagte Piechotta. Für diesen Haushalt sei es aber so, dass – obwohl der Haushalt fast so groß sei wie vor der Pandemie – doch wesentliche Aufgaben hinzugekommen seien. „Die teuersten sind die Pandemiebereitschaftsverträge und die zentrale Beschaffung der Impfstoffe“, so Piechotta.
Es sei gut, dass man bei den Impfstoffen auf EU-Ebene verhandelt habe, inzwischen weniger Impfstoff abnehmen zu müssen und es über die nächsten Jahre strecken könne. Das bedeute aber dennoch, dass die Kosten, die sich immer noch in dreistelliger Millionenhöhe bewegten, auf Haushalte fielen, die deutlich weniger Volumen haben. 2024 werde man 346 Millionen Euro, 2025 380 Millionen Euro aufwenden müssen. Diese seien aktuell nicht „im Haushalt abgebildet“. Dies hatte auch kürzlich der Bundesrechnungshof kritisiert.
Teure Pandemiebereitschaftsverträge
Sie erwarte vom Kabinett, dass das bis zum Ende der Beratungen nachgeholt werde. Sie betonte zudem, dass über die Pandemiebereitschaftsverträge zu wenig gesprochen werde. „Aber über zwei Milliarden Euro bis 2029 wenden wir auf, um mit fünf Herstellern in Deutschland Impfstoffproduktionskazitäten aufzubauen“, sagte sie.
Im aktuellen Jahr habe man nur 146,4 Millionen aufwenden müssen. Aber das laufe jetzt „hoch“. Im kommenden Jahr seien es 544,84 Millionen Euro. „Wenn man sieht, dass der Gesamthaushalt nur 16,6 Milliarden Euro haben wird und davon 14,5 Milliarden Euro der Zuschuss an die GKV sind, dann sieht man, was das für eine erhebliche Belastung ist.“
Kathrin Vogler (Linke) monierte, Lauterbach verspreche alle möglichen großen Dinge wie etwa eine Krankenhausreform oder Long-COVID-Forschung. Aber mit Blick auf den aktuellen Haushaltsentwurf seien das alles „ungedeckte Schecks“. Trotz der riesigen Probleme, die sogar schon vor der Pandemie dagewesen seien, wolle die Ampel weniger für Gesundheit und Pflege ausgeben als vor Corona.
Versprochen worden sei, die Legalisierung mit Cannabis mit einer Aufklärungskampagne zu begleiten. „Aber der Ansatz zur Sucht- und Drogenprävention soll von 13 Millionen Euro auf neun Millionen Euro gekürzt werden. Wie soll das denn bitte gehen?“, sagte sie.
Lauterbach habe auch 100 Millionen Euro für die Long-COVID-Forschung vesprochen. Es seien dann 20 Millionen geworden, doch selbst das gebe der Haushalt nicht her. Der Zuschuss zur Pflegeversicherung werde gestrichen – es sollten aber keine Leistungskürzungen geben. „Manchmal habe ich den Eindruck, Sie sind gar kein Gesundheitsmnister, sondern nur ein Berufsversprecher.“
Kürzungen gehen sehr tief
Helge Braun (CDU), Vorsitzender des Haushaltsausschusses, kritisierte, vielfach werde der Eindruck erweckt, die Kürzungen bezögen sich nur auf die überstandene Coronapandemie. Die Wahrheit sei aber leider, dass „die Kürzungen sehr tief in Bereiche gehen, die von allerallergrößter Bedeutung für die Zukunft des Gesundheitswesens“ seien.
Er bezog das unter anderem auf die Kürzung des Steuerzuschusses von einer Milliarde Euro in der Pflegeversicherung. „Die Ampel nimmt sich eine Milliarde jetzt und vergrößert das strukturelle Problem der Pflegeversicherung in der Zukunft.“ Es werde dem Haushaltsausschuss verdammt schwerfallen, eine Milliarde Euro zu finden, um das zu kompensieren. Er würde sich sehr über einen Vorschlag der FDP freuen. Braun bemängelte darüber hinaus die zahlreichen Kürzungen etwa bei Prävention und den Ausgaben für die globale Gesundheit.
Auch von den Sozialdemokraten kamen heute Stimmen, die Nachbesserungen am Haushalt forderten. Heike Engelhardt (SPD) betonte, man wolle noch bei der Drogenprävention, HIV, Digitalisierung und anderen Bereichen nachsteuern. Auch Tina Rudolph erklärte, man werde „für die wichtigen Dinge Geld finden“.
Generalabrechnung, viele Themen
Viele Debattenbeiträge drehten sich allerdings nicht direkt um den Haushalt, sondern griffen vor allem die geplanten Vorhaben der Koalition an: die Krankenhausreform, die Cannabislegalisierung sowie die fehlende Digitalisierung des Gesundheitswesens. Außerdem fehlten vielen Rednern aus der Opposition die Ausgaben für Präventionsprojekte, gerade mit Blick auf die Cannabislegalisierung.
Der bayerische Staatsminister Klaus Holetschek (CSU), der für die Länder im Bundestag sprach, kritisierte vor allem die Pläne zur Krankenhausreform. Für ihn fehle es weiterhin an der Auswirkungsanalyse, um im Bundesrat zustimmen zu können. Auch wolle er sich dafür einsetzen, „dass es in Bayern keine Drogen gibt“. Dem intensiven Gelächter aus allen Reihen im Parlament fügte er den Halbsatz „keine weiteren Drogen“ hinzu.
Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus verteidigte die Haushaltskürzungen. „Der strikte Haushaltskurs des Finanzministers ist der einzig richtige Weg“, erklärte sie heute anlässlich der Debatte in Berlin. Allerdings sollten statt Beitragserhöhungen besser Gesundheitsausgaben auf den Prüfstand gestellt werden. „Hohe Ausgaben im Gesundheitssystem allein führen nicht automatisch zu einer besseren Versorgung“, argumentierte die FDP-Politikerin.
Besorgte Krankenkassen
Die Krankenkassenverbände Verband der Ersatzkassen (vdek), BKK Dachverband, IKK und Knappschaft übten erhebliche Kritik. Die Bundesregierung entziehe sich erneut ihrer finanziellen Verantwortung für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), hieß es.
Statt ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, gelte das Spardiktat. „Kein Wort mehr von einem dynamisierten Steuerzuschuss in der GKV, kein Wort mehr von höheren Beiträgen für Empfangende von Bürgergeld aus Steuergeldern. Auch die längst versprochenen Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV lassen auf sich warten.“
Scharfe Kritik an den von der Regierung geplanten Kürzungen bei den Bundeszuschüssen für die Sozialkassen übte auch der Sozialverband SoVD. „Wir unterstützen den Gesundheitsminister in seiner Haltung, Leistungen aufrecht zu erhalten“, erklärte dazu die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier.
Aber es dürfe keinen Automatismus geben, der steigende Kosten ausschließlich durch Beitragssatzsteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kompensiere, denn so werden kleine und mittlere Einkommen zusätzlich belastet. Dies würde „zu mehr sozialer Ungerechtigkeit führen“.
Kritik an der Regierung kam auch vom Arbeitgeberverband Pflege (AGVP). „Die Ampelregierung weigert sich, Verantwortung für eine langfristig solide Finanzierung der Pflegeversicherung zu übernehmen“, erklärte AGVP-Präsident Thomas Greiner mit Blick auf die Streichung des Bundeszuschusses für die Pflegekassen. Statt mehr Belastungen für Pflegebedürftige und Beitragszahlende forderte er einen "großen Wurf" für den Ausbau der Altenpflege einschließlich eines Rechtsanspruchs auf einen Platz im Pflegeheim.
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