Politik

Gesundheitsetat steuert erheblich zu Einsparungen am Haushalt bei

  • Dienstag, 30. Januar 2024
/picture alliance, Michael Kappeler
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Berlin – Das Jahr hat längst begonnen, doch wofür der Staat gerade wie viel Geld ausgeben darf, ist noch immer nicht offiziell beschlossen. In dieser Woche will der Bundestag das ändern: Die Schlussberatungen für den Etat 2024 haben begonnen.

Vier Tage lang werden die Budgets für jedes Ministerium noch einmal debattiert, in der traditionellen Ge­ne­raldebatte wird morgen über die Politik der Bundesregierung gestritten. Danach soll der Haushalt am Freitag verabschiedet werden – ebenso wie ein Gesetz zur Umsetzung von Sparmaßnahmen.

Zum Auftakt warf die Union der Ampelkoalition vor, zwar vom Sparen zu reden – in Wahrheit aber weiter über die Verhältnisse zu leben. SPD, Grüne und FDP wollten den Menschen vormachen, sie priorisierten knallhart und strichen Ausgaben. In Wahrheit aber werde überhaupt nicht gespart, kritisierte vor allem die Union. Die AfD warf der Koalition vor, erneut einen verfassungswidrigen Etat auf den Weg zu bringen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) verteidigte die Pläne. Die Ampel beweise damit „Gestaltungsehrgeiz“, sagte er. „Ich spreche nicht von einem Sparhaushalt, sondern von einem Gestaltungshaushalt.“ Selten sei ein Bun­des­haushalt so intensiv beraten worden – „aber es hat sich gelohnt“, betonte Lindner. „Wir machen uns auf den Weg zur finanzpolitischen Normalität.“

Normalerweise segnet der Bundestag den Haus­halt im Dezember des Vorjahres ab. Diesmal jedoch durch­kreuzte das Bundesverfassungsgericht die Pläne. Kurzfristig mussten im Kernhaushalt sowie im Klima- und Transformationsfonds Milliardenlöcher gestopft werden.

SPD, Grüne und FDP rangen wochenlang um Sparmaßnahmen. Seit Jahresbeginn arbeitet die Regierung daher mit einer vorläufigen Haushaltsführung: Aktuell sind nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.

Nach der entscheidenden Sitzung im Haushaltsausschuss ist der Etat im Grunde festgezurrt. Vorgesehen sind Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro. Das sind rund 5.635 Euro pro Einwohner in Deutschland. Das mit Ab­stand größte Budget hat Arbeitsminister Hubertus Heil mit rund 175,6 Milliarden Euro – davon gehen große Teile in die Rentenversicherung, dazu kommen zum Beispiel Ausgaben für das Bürgergeld.

Geplant sind Investitionen von 70,5 Milliarden Euro – zum Beispiel in das Schienennetz und in Straßen. Der Verteidigungsetat liegt bei rund 52 Milliarden Euro, dazu kommen Milliardenmittel aus dem „Sondervermö­gen“ für die Bundeswehr.

Erhebliche Einsparungen, die größten verglichen mit dem Vorjahr, gibt es im Bundesministerium für Gesund­heit (BMG). Der Einzelplan 15 muss in diesem Jahr mit rund 7,8 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im vergangenen Jahr.

2023 lagen die Gesamtausgaben noch bei rund 24,5 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr sind es noch rund 16,7 Milliarden Euro. Einen großen Kostenblock hatte im vergangenen Jahr noch die Bekämpfung der Coronapan­demie aus­gemacht. Für 2024 entfallen die Ausgaben weitgehend.

Der Rotstift wurde vor allem beim Gesundheitsfonds und der Pflegeversicherung angesetzt. Für 2024 sind der ergänzende Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds (2,0 Milliarden Euro), das überjährige Darle­hen an den Gesundheitsfonds (1,0 Milliarden Euro) und der pauschale Bundeszuschuss zur Pflege­versiche­rung (1,0 Milliar­den Euro) nicht mehr in der Haushaltsplanung enthalten.

Keine Mehrausgaben sind im kommenden Jahr auch beim allgemeinen Bun­deszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorgesehen. Dieser bleibt bei 14,5 Milliarden Euro. Gekürzt wird auch bei anderen Bereichen, unter anderem bei Klimaprogrammen. Harte Einschnitte gibt es auch bei der Entwicklungshilfe.

Der BKK-Dachverband betonte, die Pflegeversicherung kämpfe mit großen finanziellen, strukturellen und personellen Problemen. Jedes Jahr drohe ein Defizit, das Personal sei erschöpft und die Eigenanteile für die Pflege stiegen von Jahr zu Jahr.

„Für Pflegebedürftige und deren Angehörige sind die Folgen verheerend. Da wirkt es wie Hohn, dass mit dem Bundeshaushalt 2024 der erst 2022 eingeführte Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro wieder gestrichen wird“, sagte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverband. Eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung sehe anders aus. Sie mahnte eine grundlegende Reform an.

Ob die Schuldenbremse hält, lässt sich noch nicht ganz sicher sagen. Vorgesehen sind zunächst neue Kredite in Höhe von rund 39 Milliarden Euro. Damit würde die Schuldenbremse nach jahrelangen Ausnahmen wieder voll greifen. Die Bundesregierung hatte zunächst geprüft, ob für 2,7 Milliarden Euro an Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal erneut die Ausnahmeregel gezogen werden sollte. Das Geld kommt nun aber aus Überschüssen des Etats 2023.

Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt aber der Ukrainekrieg. Was passiert, wenn Deutschland seine Hilfe für die Ukraine nochmals stark erhöhen muss – weil die Entwicklung an der Front oder der Rückzug anderer Staaten aus der Unterstützerallianz dies erfordern? Die Ampelkoalition behält sich vor, dann doch eine „außergewöhnliche Notsituation“ geltend zu machen und die Schuldenbremse auszusetzen.

Nach den Haushaltsverhandlungen ist vor den Haushaltsverhandlungen: Es laufen bereits Gespräche für den Etat 2025. Für die Koalition dürfte es wieder nicht einfach werden, denn allein im Kernhaushalt klafft erneut eine Lücke im unteren zweistelligen Milliardenbereich.

Umstritten ist auch, ob und wann die Koalition ihr Versprechen wahr macht, ein Klimageld einzuführen. Damit sollte eigentlich die Mehrbelastung durch einen steigenden CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien ausgeglichen werden. Jeder Bürger sollte Geld vom Staat zurückbekommen. Doch das würde Milliar­den kosten.

dpa/afp/may

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