Leitlinie zur Über- und Unterversorgung aktualisiert

Berlin – Zur S2e-Leitlinie „Schutz vor Über- und Unterversorgung – gemeinsam entscheiden“ liegt eine aktualisierte Version vor. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) wurden dazu mehrere Empfehlungen aus im Jahr 2022 publizierten Leitlinien extrahiert und durch ein Expertenpanel priorisiert.
In diesem Zuge wurden laut DEGAM beispielsweise Empfehlungen zur unipolaren Depression sowie zur Revaskularisation bei chronischer koronarer Herzkrankheit (KHK) berücksichtigt. Zu den Auswahl- und Priorisierungskriterien gehörten die Einschätzung der Relevanz für Über- und Unterversorgung, die Qualität der Evidenzbasis, die Empfehlungsstärke und die Einordnung im Hinblick auf übergeordnete Versorgungsziele.
Bezüglich der KHK wird in der Leitlinie nun unter anderem darauf hingewiesen, dass es keine Nutzenbelege für die Durchführung einer perkutanen koronaren Interventionen (PCI) im Vergleich zu einer optimalen medikamentösen Therapie gibt.
In der Versorgung würden aber in großer Zahl PCIs in genau dieser Indikation durchgeführt. Patienten gingen dabei regelhaft von einem prognostischen Vorteil der Intervention aus – der jedoch nicht existiert. Umso wichtiger sei es deshalb, sie ausgewogen und ausreichend zu informieren.
Patienten, die zu einer Bypass-OP mit dem Ziel der Lebensverlängerung nicht bereit seien oder bei denen eine Kontraindikation dafür bestehe, sollten zudem keine invasive Diagnostik zur Abklärung der koronaren Morphologie erhalten.
Grundsätzlich gebe es keinerlei Nachweis, dass beschwerdefreie Menschen mit einer chronischen KHK von wiederholten speziellen kardiologischen Untersuchungen profitieren. Eine routinemäßige Wiedervorstellung in kardiologischen Praxen habe damit keine rationale Grundlage, heißt es in der Leitlinie.
Dagegen bestehe in Deutschland eine „erhebliche Überversorgung“ bezüglich invasiver Untersuchungen und Interventionen. Statt dieser sollte der Fokus auf der Adhärenz an prognoseverbessernde Maßnahmen und Förderung der Lebensqualität durch psychosoziale Unterstützung liegen.
Ziel der S2e-Leitlinie ist die Erarbeitung einer übersichtlichen Zusammenstellung sowie Priorisierung der wichtigsten (nicht nur) überflüssigen Maßnahmen und Negativempfehlungen für den hausärztlichen Bereich.
Gleichzeitig sollen auch relevante Probleme im Bereich der Unterversorgung berücksichtigt und Handlungsoptionen zum Schutz vor Über- und Unterversorgung aufgezeigt werden. Eine Komplettrevision der Leitlinie ist nach Angaben der DEGAM für Anfang 2024 geplant.
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