Lob und Kritik für neue Pflegepersonaluntergrenzen

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat gestern Pflegepersonaluntergrenzen für einige Bereiche im Krankenhaus festgelegt, nachdem sich GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) nicht auf Untergrenzen einigen konnten. Diese Ersatzvornahme durch das BMG erntet nun gemischte Rückmeldungen: von Lob bis zu offener Ablehnung.
Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem hält den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur weiteren Verschärfung der Personalvorgaben in Kliniken für sinnvoll. „Die Krankenhäuser haben über viele Jahre Pflegepersonal abgebaut. Die Grenze zur gefährlichen Pflege war teilweise erreicht. Daher ist es richtig, dass die Politik die Einführung von Personaluntergrenzen beschlossen hat“, sagte Wasem der Saarbrücker Zeitung.
„Gefährliche Pflege muss erkennbar sein und sanktioniert werden“, sagte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus der Neuen Osnabrücker Zeitung. Kritik an dem Instrument wies er scharf zurück. „Wer dauerhaft zu wenige Pflegekräfte in seinem Haus einsetzt, gefährdet Patienten und auch Pflegekräfte.“
Denn unter dem dann herrschenden Druck seien viele Pflegekräfte gezwungen, wichtige Pflegeleistungen zu unterlassen, was lebensgefährlich für Patienten sein könne. Pflegepersonaluntergrenzen dienten der Patientensicherheit und seien Leitplanken für die Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte. Mittelfristig werde allerdings „eine valide Pflegebedarfsbemessung im Krankenhaus“ benötigt, damit der „wahre“ Pflegepersonalbedarf in einem Krankenhaus bestimmbar werde, sagte Westerfellhaus weiter.
Ein Kompromiss
Grundsätzliche Zustimmung kommt auch von den Kassen. „Die Verordnung stellt einen Kompromiss dar, auf dem wir uns als Selbstverwaltung jedoch nicht ausruhen dürfen“, sagte Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin des GKV-Spitzenverbandes der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Personaluntergrenzen seien kein Selbstzweck, sondern echter Patientenschutz. Nur wenn Krankenhäuser auf jeder Station und in jeder Schicht ausreichendes und fachkundiges Personal einsetzten, kämen sie ihrem Auftrag nach.
„Untergrenzen definieren keine gute Personalausstattung, sondern sind das absolute Minimum, um Patientengefährdung zu verhindern“, twitterte der Pressesprecher des Verbandes, Florian Lanz, heute Mittag.
Gemischt fällt die Bewertung durch die Krankenhäuser aus. „Die DKG begrüßt, dass Minister Spahn die Pflegepersonal-Mindestbesetzungsquoten auf den Intensivstationen nicht, wie von den Kassen gefordert, verschärft. Die Verschärfung der Quoten hätte dazu geführt, dass noch mehr Kliniken Intensivplätze vorübergehend oder ganz hätten schließen müssen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Georg Baum.
Die erstmalig und neu für 2020 vorgesehenen Pflegepersonaluntergrenzen für die Schlaganfallversorgung seien jedoch „hoch problematisch“. Laut der DKG wäre es am besten, „die extrem bürokratielastige Pflegeuntergrenzen-Steuerung ganz aufzugeben. Es gibt keinen Grund, den Kliniken die Verantwortung für die Sicherstellung der notwendigen Personalausstattung abzusprechen“, so Baum.
Deutliche Kritik übt der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). „Dass bundesweit geltende Untergrenzen – zumal wenn sie sich am Personalbestand der am schlechtesten ausgestatteten Krankenhäuser orientieren – keine Verbesserung von Pflegequalität bringen und nicht einmal verlässliche Sicherheit bieten, muss jedem einleuchten. Sie nur für wenige ausgewählte bettenführende Bereiche einzuführen war der zweite Fehler, der dabei gemacht worden ist“, sagte die DBfK-Präsidentin Christel Bienstein.
Wichtig sei vielmehr, möglichst rasch ein echtes Pflegepersonalbemessungssystem zu entwickeln und verpflichtend einzuführen, so die DBfK-Präsidentin. Laut dem Verband zeigten Berichte immer wieder, dass die Pflegeuntergrenzenregelung professionell Pflegende mehr be- als entlastet.
In der Verordnung, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, kündigt das Ministerium gestern neben den bisher vier pflegeintensiven Klinikbereichen – Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie – vier weitere Bereiche an, für die Personaluntergrenzen ab 2020 gelten sollen: Herzchirurgie, Neurologie, Stroke-Units sowie für die Neurologische Frührehabilitation.
Ebenso erklärt es das Ministerium für „unzulässig“, dass Krankenhäuser Personal aus anderen Abteilungen abziehen, damit diese dann in den pflegeintensiveren Bereichen arbeiten. Da bereits für das Jahr 2019 Krankenkassen und DKG sich nicht auf Untergrenzen einigen konnten, hatte auch in dem Jahr das Ministerium selbst die Grenzen festgelegt.
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