Lungentransplantationen: Ermittlungen an Hamburger Uniklinik

Hamburg – Nach der Feststellung von „Unregelmäßigkeiten“ bei Fällen von Lungentransplantationen am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) ermittelt die Staatsanwaltschaft. Einen entsprechenden Medienbericht des Norddeutschen Rundfunks bestätigte heute eine Sprecherin der Behörde. Das UKE bekräftigte unterdessen, dass kein Patient auf der Warteliste bevorzugt worden sei.
Der Staatsanwaltschaft zufolge leitete die Behörde ein Verfahren wegen des Verdachts der Unterdrückung von Urkunden oder technischen Aufzeichnungen ein. Bei den Ermittlungen gehe es darum, ob strafrechtlich gegen involvierte Klinikmitarbeiter vorgegangen werden müsse, berichtete eine Sprecherin. Die Überprüfung des offiziellen Berichts der „Prüfungs- und Überwachungskommission“ von Bundesärztekammer (BÄK), Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband aus strafrechtlicher Sicht sei allerdings noch nicht abgeschlossen, hieß es.
Die Kommission der Spitzeninstitutionen des deutschen Gesundheitssystems hatte bereits am 13. Oktober berichtet, dass bei einer Kontrolle des Lungentransplantationsprogramms des UKE in Kooperation mit der LungenClinic Großhansdorf im vergangenen Jahr bei 14 von 25 Fällen „Unregelmäßigkeiten“ festgestellt worden seien. Geprüft wurden die Jahre 2010 bis 2012, also die Zeiträume, bevor der Gesetzgeber das Transplantationsgesetz geändert hat. Dem Bericht der Kommission zufolge konnten die an die Spenderorgankoordinierungsstelle Eurotransplant (ET) gemeldeten Daten zum Gesundheitszustand der Patienten nicht nachvollzogen werden und waren teils auch nicht ausreichend belegt.
Dies betraf konkret die in der LungenClinic Großhansdorf durchgeführten Blutgasanalysen (BGA), bei denen laut Kommission auffallend niedrige Sättigungswerte und erheblich von den Normwerten abweichende Partialdruckwerte ermittelt und vom UKE gegenüber ET angegeben wurden, ohne dass der sehr kritische Gesundheitszustand, den diese Daten implizieren, nachvollzogen werden konnte. In einzelnen Fällen konnten demnach außerdem die an ET gemeldeten und ebenfalls allokationsrelevanten Sauerstoffflussraten nicht ausreichend belegt werden. In anderen Fällen waren zwischenzeitlich wesentlich bessere Messwerte als die an ET gemeldeten gemessen worden.
Die Kommission beanstandete darüber hinaus, dass das UKE keine Intensivverlaufskurven eigener Patienten vorgelegt habe, obwohl es dazu mehrfach aufgefordert worden sei. Dadurch habe man die gesetzliche Aufgabe, die Richtigkeit der an ET gemeldeten Patientendaten zu überprüfen, in nur sehr eingeschränktem Maße nachkommen können, hieß es.
„Die dazu notwendigen Originalunterlagen, namentlich die BGA-Befunde und die Kurvenblätter, konnten weder in Papierform noch in elektronischer Fassung vollständig vorgelegt werden“, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Das UKE habe damit nicht nur gegen seine sich aus Paragraf § 12 Abs. 5 Satz 5 TPG ergebende Verpflichtung verstoßen, „die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen“, sondern auch seine Aufsichtspflichten verletzt.
Ohne die fehlenden Dokumente sei die festgestellte Diskrepanz zwischen den Antragsunterlagen bei Eurotransplant und sonstigen im Rahmen der Überprüfung eingesehenen Daten am Ende nicht zu klären. Es bestehe daher der Verdacht, dass relevante Unterlagen unterdrückt würden.
Das UKE hatte bereits vor einem Monat betont, dass der Prüfbericht „keinerlei Anhaltspunkte für Eingriffe in die Rangfolge von Patienten auf der Transplantionliste“ ergeben habe. Zwar gebe es „berechtigte Kritikpunkte“, deren wesentliche Ursache finde sich aber in den unterschiedlichen Dokumentationssystemen des UKE und seines Partners aus Großhansdorf. Heute räumte das UKE ein, dass sieben Papierakten des Kooperationspartners LungenClinic nicht mehr auffindbar seien. Die im Bericht kritisierten Prozessmängel in Dokumentation und Aktenführung seien aber seit 2013 abgestellt.
Zuvor hatte es laut UKE ein Übermittlungsproblem gegeben, weil unterschiedliche Dokumentationssysteme – elektronische Patientenakte versus Papierakte – eingesetzt wurden. Bei übermittelten Faxen gebe es Archivlücken. Inzwischen werde solche Korrespondenz durch Einscannen im UKE revisionssicher dokumentiert. „Aus den Fehlern in der Dokumentation einen Vorsatz oder Manipulation abzuleiten, ist falsch. Das UKE weist diese Vorwürfe scharf zurück“, hieß es. Den Vorwurf mangelnder Zusammenarbeit mit der Kommission wies die Hamburger Klinik ebenfalls von sich. Jedes Mitglied habe „jederzeit“ die Möglichkeit gehabt, „vollständigen Einblick“ in die elektronische Krankenakte zu nehmen.
Die Hamburger Gesundheits- sowie die Wissenschaftsbehörde wollen nach eigenem Bekunden zur Aufklärung beitragen. Kritik kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: „Bis 2012 haben sowohl Politik als auch Aufsichtsgremien nicht genau hingeschaut. Gegen Manipulation sah das Strafrecht keine Sanktionen vor. Für Patienten sind die Verteilungskriterien nach wie vor undurchsichtig“, monierte Vorstand Eugen Brysch.
Die Hamburger Behörden haben ihren Angaben zufolge nach dem PÜK-Bericht das UKE umgehend zu Stellungnahmen aufgefordert. Diese lägen seit Kurzem vor und würden ausgewertet. „In der Transplantationsmedizin ist es unbedingt erforderlich, dass nicht nur die medizinischen Standards, sondern auch die verfahrensmäßigen Vorschriften des Transplantationsgesetzes strikt eingehalten werden.“ Vier der Fälle wurden mittlerweile seitens der PÜK als erklärbar und erledigt angesehen, teilten die Behörden weiter mit. Über aufsichts- oder berufsrechtliche Maßnahmen könne erst nach Abschluss aller Prüfungen und Ermittlungen entschieden werden.
Für die Zuteilung von Spenderorganen in Deutschland ist die Stiftung Eurotransplant zuständig. Sie arbeitet eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen. 2012 war bekannt geworden, dass Ärzte an mehreren Krankenhäusern offenbar Patientendaten manipuliert und so die Vergabe von Spenderlebern beeinflusst hatten. Der Skandal schlug große Wellen und ließ die Bereitschaft zu Organspenden einbrechen. In der Folge überprüfte die Prüfungs- und Überwachungskommission alle Transplantationsprogramme.
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