Vermischtes

Lungentrans­plantationen: Ermittlungen an Hamburger Uniklinik

  • Dienstag, 15. November 2016
Uploaded: 15.11.2016 16:39:56 by lode
/dpa

Hamburg – Nach der Feststellung von „Unregelmäßigkeiten“ bei Fällen von Lungen­trans­plantationen am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) ermittelt die Staats­an­waltschaft. Einen entsprechenden Medienbericht des Norddeutschen Rund­funks bestä­tigte heute eine Sprecherin der Behörde. Das UKE bekräftigte unterdessen, dass kein Patient auf der Warteliste bevorzugt worden sei.

Der Staatsanwaltschaft zufolge leitete die Behörde ein Verfahren wegen des Verdachts der Unterdrückung von Urkunden oder techni­schen Aufzeichnungen ein. Bei den Ermitt­lungen gehe es darum, ob strafrechtlich gegen involvierte Klinikmitarbeiter vorgegangen werden müsse, berichtete eine Sprecherin. Die Überprüfung des offiziellen Berichts der „Prüfungs- und Über­wa­chungs­­­­kommission“ von Bundesärztekammer (BÄK), Deutscher Krankenhaus­gesell­schaft und GKV-Spi­­tzen­verband aus strafrechtlicher Sicht sei aller­dings noch nicht abgeschlossen, hieß es.

Die Kommission der Spitzeninstitutionen des deutschen Ge­sund­­­heitssystems hatte be­reits am 13. Oktober berichtet, dass bei einer Kontrolle des Lungen­transplantations­pro­gramms des UKE in Kooperation mit der LungenClinic Großhansdorf im vergangenen Jahr bei 14 von 25 Fällen „Unregelmäßigkeiten“ festgestellt worden sei­en. Geprüft wur­den die Jahre 2010 bis 2012, also die Zeiträume, bevor der Gesetz­geber das Trans­planta­tionsgesetz geändert hat. Dem Bericht der Kommission zufolge konnten die an die Spenderorgan­ko­ordinierungsstelle Eurotransplant (ET) gemeldeten Daten zum Gesund­heitszustand der Pa­tienten nicht nachvollzogen werden und waren teils auch nicht aus­rei­chend belegt.

Dies betraf konkret die in der LungenClinic Großhansdorf durchgeführten Blutgasanaly­sen (BGA), bei denen laut Kommission auffallend niedrige Sättigungswerte und erheblich von den Norm­werten abweichende Partialdruckwerte ermittelt und vom UKE gegenüber ET ange­ge­ben wur­den, ohne dass der sehr kritische Gesundheitszustand, den diese Daten impli­zieren, nachvollzogen werden konnte. In einzelnen Fällen konnten demnach außerdem die an ET gemeldeten und ebenfalls allo­kations­re­levanten Sauerstoffflussra­ten nicht ausreichend belegt werden. In anderen Fäl­len wa­ren zwischenzeitlich wesent­lich bessere Messwerte als die an ET gemeldeten ge­messen worden.

Die Kommission beanstandete darüber hinaus, dass das UKE keine Intensivverlaufs­kur­ven eigener Patienten vorgelegt habe, obwohl es dazu mehrfach aufgefordert worden sei. Dadurch habe man die gesetzliche Aufgabe, die Richtigkeit der an ET gemeldeten Patientendaten zu überprüfen, in nur sehr eingeschränktem Ma­ße nach­kommen können, hieß es.

„Die dazu notwendigen Originalunterlagen, namentlich die BGA-Befunde und die Kur­ven­blätter, konnten weder in Papierform noch in elektro­ni­scher Fassung vollständig vorge­legt werden“, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Das UKE habe damit nicht nur gegen seine sich aus Paragraf § 12 Abs. 5 Satz 5 TPG ergebende Verpflich­tung ver­sto­ßen, „die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen“, sondern auch seine Auf­sichts­pflichten verletzt.

Ohne die fehlenden Dokumente sei die festgestellte Diskrepanz zwischen den An­trags­un­terlagen bei Eurotransplant und sonstigen im Rahmen der Überprüfung einge­seh­e­nen Daten am Ende nicht zu klären. Es bestehe daher der Verdacht, dass relevante Unterla­gen unterdrückt würden.

Das UKE hatte bereits vor einem Monat betont, dass der Prüfbericht „keinerlei Anhalts­punkte für Eingriffe in die Rangfolge von Patienten auf der Transplantionliste“ er­geben habe. Zwar gebe es „berechtigte Kritikpunkte“, deren wesentliche Ursache finde sich aber in den unterschiedlichen Dokumentationssystemen des UKE und seines Part­ners aus Großhansdorf. Heute räumte das UKE ein, dass sieben Papierakten des Koopera­tions­partners Lungen­Clinic nicht mehr auffindbar seien. Die im Bericht kritisierten Pro­zessmängel in Dokumen­tation und Aktenführung seien aber seit 2013 abgestellt.

Zuvor hatte es laut UKE ein Über­mittlungsproblem gegeben, weil unterschiedliche Do­ku­mentationssysteme – elektro­nische Patientenakte versus Papierakte – eingesetzt wur­den. Bei übermittelten Faxen gebe es Archivlücken. Inzwischen werde solche Korrespon­denz durch Einscannen im UKE revisionssicher dokumentiert. „Aus den Fehlern in der Do­kumentation einen Vorsatz oder Manipulation abzuleiten, ist falsch. Das UKE weist die­se Vorwürfe scharf zurück“, hieß es. Den Vorwurf mangelnder Zusammenarbeit mit der Kommission wies die Ham­bur­ger Klinik ebenfalls von sich. Jedes Mitglied habe „jederzeit“ die Möglichkeit gehabt, „vollständi­gen Ein­blick“ in die elektronische Krankenakte zu nehmen.

Die Hamburger Gesundheits- sowie die Wissenschaftsbehörde wollen nach eigenem Be­kunden zur Aufklärung beitragen. Kritik kam von der Deutschen Stiftung Patienten­schutz: „Bis 2012 haben sowohl Politik als auch Aufsichtsgremien nicht genau hinge­schaut. Ge­gen Manipulation sah das Strafrecht keine Sanktionen vor. Für Patienten sind die Vertei­lungskriterien nach wie vor undurchsichtig“, monierte Vorstand Eugen Brysch.

Die Hamburger Behörden haben ihren Angaben zufolge nach dem PÜK-Bericht das UKE umgehend zu Stellungnahmen aufgefordert. Diese lägen seit Kurzem vor und würden aus­­gewertet. „In der Transplantationsmedizin ist es unbedingt erforderlich, dass nicht nur die medizinischen Standards, sondern auch die verfahrensmäßigen Vorschriften des Transplantationsgesetzes strikt eingehalten werden.“ Vier der Fälle wurden mittlerweile seitens der PÜK als erklärbar und erledigt angesehen, teilten die Behörden weiter mit. Über aufsichts- oder berufsrechtliche Maßnahmen könne erst nach Abschluss aller Prü­fungen und Ermittlungen entschieden werden.

Für die Zuteilung von Spenderorganen in Deutschland ist die Stiftung Eurotransplant zu­ständig. Sie arbeitet eng mit den Organspende-Organisa­tio­nen, Transplantationszent­ren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen. 2012 war bekannt geworden, dass Ärzte an mehreren Krankenhäusern offenbar Patien­tendaten manipuliert und so die Ver­gabe von Spenderlebern beeinflusst hatten. Der Skan­dal schlug große Wellen und ließ die Bereitschaft zu Organspenden einbrechen. In der Folge überprüfte die Prüfungs- und Überwachungskommission alle Transplanta­tions­­programme.

dpa/afp/may

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