Bundestag regelt Organspende neu

Berlin – Nach jahrelangen Diskussionen hat der Bundestag eine Neuregelung zur Organspende auf den Weg gebracht. Mit breiter Mehrheit verabschiedete das Parlament nach einer knapp zweistündigen sachlichen Debatte einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Einführung der sogenannten Entscheidungslösung. Damit wird die bisherige „erweiterte Zustimmungsregelung“ abgelöst. Künftig wird stattdessen jeder Bürger über 16 Jahre von seiner Krankenkasse per Brief Informationen zum Thema Organspende erhalten und aufgefordert, zu erklären, ob er nach seinem Tod Organe spenden will. Eine Pflicht, sich zu entscheiden, gibt es aber nicht. Um die Organspendebereitschaft zu erhöhen, hatten sich bereits im März alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen auf den Gruppenantrag geeinigt.
Redner aller Fraktionen machten jetzt noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, die Menschen regelmäßig mit dem Thema Organspende zu konfrontieren. Dadurch solle erreicht werden, dass sich die Bürger stärker als bisher mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und die Zahl der dringend nötigen Organspenden steigt.

„Wer Organe spendet rettet Leben“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Wer sich zu Lebzeiten über die Organspende entscheide, nehme zudem den Angehörigen diese schwierige Entscheidung. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht die fraktionsübergreifenden Pläne zur Neuregelung der Organspende als "ausdrückliches Ja" des Bundestages zu Mitmenschlichkeit und Solidarität. Die in dem Gesetzesentwurf vorgesehene regelmäßige Befragung der Bürger nach ihrer Spendenbereitschaft sei "dringend notwendig", betonte er.
Zugleich verdeutlichten die Redner nochmals, dass keinerlei Zwang ausgeübt werde. Um eine informierte und unabhängige Entscheidung jedes Einzelnen zu ermöglichen, sei eine breite Aufklärung der Bevölkerung zu den Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende durch die Länder, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie die Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen vorgesehen.
Verabschiedet mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP hat das Parlament neben dem Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung bei der Organspende einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes. Er verpflichtet die etwa 1350 Kliniken mit Intensivstationen, einen Transplantationsbeauftragten zu berufen. Dieser soll die Organspenden besser koordinieren und Angehörige potenzieller Spender beraten. Außerdem werden durch das Gesetz EU-weite einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards festgelegt.
Grüne und Linke machten allerdings auch ihre Vorbehalte gegen Details des geänderten Transplantationsgesetzes deutlich. Sie forderten unter anderem mehr Transparenz und Kontrolle bei der Organisation der Organspenden, die in Deutschland von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) koordiniert wird. Die Stiftung war in den vergangenen Wochen und Monaten wegen angeblicher Vetternwirtschaft in die Schlagzeilen geraten. Der Gesundheitsexperte der Grünen, Harald Terpe, betonte, dass eine Organisationsstruktur, in der Beteiligte zugleich Nutznießer und Kontrolleure sein könnten, Misstrauen erzeuge.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sind als Auftraggeber der als Koordinierungsstelle tätigen DSO gesetzlich verpflichtet, diese kontinuierlich zu überwachen. Um Transparenz zu gewährleisten, ist nun im Transplantationsgesetz geregelt, das die DSO finanzielle und organisatorische Entscheidungen den Auftraggebern vorlegen muss.
Zudem wird sie verpflichtet, ihren Geschäftsbericht jährlich zu veröffentlichen. Auch Transplantationszentren und Entnahme-Krankenhäuser sind zur Auskunft verpflichtet. „Wir müssen die Debatte über die DSO ernst nehmen, damit die Missstände nicht die Spendebereitschaft bedrohen“, sagte Jens Spahn (CDU). Deshalb soll der DSO-Vorstand künftig regelmäßig zur Berichterstattung in den Gesundheitsausschuss des Bundestages bestellt werden, sagte Spahn.
Die Kritik der Grünen und Linken richtete sich ferner gegen die geplante Dokumentation der Organspendebereitschaft auf der elektronischen Gesundheitskarte. Dies soll in einigen Jahren möglich sein, allerdings nur mit Zustimmung der Versicherten. Die Speicherung der Angaben wird aber für die Versicherten freiwillig sein. Die Krankenkassen sollen dabei keinen Zugriff auf die Gesundheitsdaten erhalten. Bahr wies die Kritik am Datenschutz zurück: „Der Patient und Versicherte bleibt Herr seiner Daten“. Die Erklärung werde unabhängig von anderen Daten gespeichert. Informationen für Forschungszwecke würden anonymisiert.
Verbesserungen bringt die Novelle des Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes für Lebendspender: Künftig hat jeder Lebendspender einen Anspruch auf Krankenbehandlung, Vor- und Nachbetreuung, Rehabilitation, Fahrtkosten und Krankengeld gegen die Krankenkasse des Organempfängers. In einer Selbstverpflichtungserklärung vom 9. Februar 2012 haben sich auch alle Mitgliedsunternehmen des Verbands der Privaten Krankenversicherung verpflichtet, für die Aufwendungen der Spender aufzukommen.
Ferner wird geregelt, dass sich der Unfallversicherungsschutz auf alle Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit einer Organspende bezieht. Darüber hinaus wird die Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantation und von lebenden Spendern in den Versorgungsbereich der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung aufgenommen, um eine qualitativ hochwertige, spezialisierte Diagnostik und Behandlung sowie Nachsorge zu gewährleisten.
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