Marburger Bund spricht sich für Demokratie und gegen rechtsextreme Strömungen aus

Mainz – Bei der 143. Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB) verurteilten die Delegierten in einer intensiven Debatte die Zunahme rechtsextremer Aktivitäten in Deutschland auf Schärfste.
Der MB sei von den zunehmenden Angriffen auf aktive, demokratisch engagierte Menschen entsetzt. „Wir verurteilen diese gehäuft vorkommenden körperlichen und aggressiven Angriffe aufs äußerste“, heißt es in einem Antrag, den die 143. Hauptversammlung heute beschlossen hatte. Der MB betrachte den zunehmenden Aufschwung rechtsextremer Strömungen und ihrer Parteien in Deutschland und im restlichen Europa mit großer Sorge.
„Diesem Gedankengut des Ausgrenzens, des Antisemitismus, des Rassismus und der Intoleranz stellt sich der Marburger Bund entschieden entgegen“, heißt es weiter. Stattdessen bekenne sich der Marburger Bund zur Demokratie und lehne jegliches autoritäres und menschenverachtendes Gedankengut ab.
Kontrovers wurde die Frage debattiert, ob Menschen auch beim Marburger Bund Mitglied sein dürfen, wenn sie Mitglied in einer Organisation oder Partei sind, die menschenverachtende und rechtsextreme Positionen vertreten. In einem heute beschlossenen Antrag heißt es, dass die Hauptversammlung solche Positionen mit der Mitgliedschaft im MB für unvereinbar halte. Ein weiterer Antrag forderte die Beteiligung an Wahlen, um das humanistische, plurale Gesundheitswesen zu erhalten.
Der Gesundheitswissenschaftler und Leiter des Museums am Robert-Koch-Institut (RKI), Benjamin Kuntz, erinnerte dabei auch an die Verantwortung von Ärztinnen und Ärzten in der Erinnerung an die Rolle der Ärzteschaft während der NS-Zeit. So hätten nicht jüdische Ärzte bei der Verdrängung und Entlassung ihrer jüdischen Kolleginnen und Kollegen ab 1933 kaum protestiert, sondern vielmehr durch die frei gewordenen Stellen profitiert. Viele hätten sich dadurch auch bereichert, so Kuntz.
Mediziner aktiv an NS-Rassen- und Vernichtspolitik eingebunden
Mediziner waren wie keine andere Berufsgruppe so stark in die NS-Rassen- und Vernichtungspolitik eingebunden, erinnerte Kuntz. Zudem seien sie als Kliniker, Wissenschaftler und Gutachter bei Verbrechen wie etwa Zwangssterilisationen, Abtreibungen oder Krankenmorde aktiv beteiligt gewesen. Und: Zu dieser Zeit waren zwischen 55 bis 60 Prozent der Mediziner Mitglied der NSDAP, SA und SS. Dieser Anteil sei deutlich höher als in anderen Akademikerberufen gewesen, erklärte Kuntz.
Ärztinnen und Ärzte tragen eine besondere Verantwortung, gegenüber den Patienten aber auch allen Mitarbeitenden des Gesundheitswesens sowie der Gesellschaft insgesamt, betonte die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna. Sie erinnerte dabei an das Genfer Gelöbnis, nach dem Ärzte ihre Patienten nicht aufgrund von unter anderem Behinderung, Alter, Glaube, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit diskriminieren dürfen. „Unser Berufsethos gebietet es, die Gesundheit aller Patienten und Patientinnen ohne Unterschied zu fördern“, sagte sie.
Das Engagement müsse weitergehen, betonte Johna. „Unser Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie müssen wir tagtäglich leben, denn diese Grundwerte sind leider längst nicht mehr selbstverständlich.“ Dazu gehöre auch die Bereitschaft zum Widerspruch im Einzelfall. Am Arbeitsplatz, im Verein, im Bekanntenkreis, vielleicht sogar in der eigenen Familie. Leider sei man nicht mehr bei „Wehret den Anfängen“, sondern bei der Verteidigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, so Johna.
Jeden Tag gegen Faschismus einstehen
Ärzte seien anfällig gegenüber Rassismus, deshalb müsse sich der Marburger Bund geschlossen dagegen stellen, sagte auch Daniel Wellershaus vom Verband Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz. Allerdings gebe es einige Ärzte der AfD, die im Bundestag gesessen hätten oder für die Europawahl kanditierten. „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“, betonte er. Dagegen müsse man jeden Tag einstehen, forderte er.
Auch Peter Bobbert, Mitglied im MB-Vorstand und Präsident der Landesärztekammer Berlin, erklärte, es sei die Verantwortung eines jeden Einzelnen, klare Kante zu zeigen, wenn etwas Menschenverachtendes gesagt werde. Man dürfe nie etwas im Raum stehen lassen, so Bobbert. „Für Toleranz und Menschlichkeit gibt es keinen Kompromiss, das ist keine Selbstverständlichkeit.“
Die Hauptversammlung beschäftigte sich auch mit der Weiterbildung. So solle die Bundesregierung die gesetzlichen Hürden für eine sektorenverbindende ärztliche Weiterbildung beseitigen und eine suffiziente finanzielle Förderung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich etablieren, forderten die Delegierten. „Für die Zeit der ärztlichen Weiterbildung müssen daher insbesondere die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung überprüft und entsprechend angepasst werden“, heißt es in einem heute beschlossenen Antrag.
Außerdem forderten die Delegierten den Vorstand der Bundeärztekammer auf, eine Befragung unter den Nutzern des eLogbuches (Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung und Weiterbildungsbefugten) zu veranlassen. Ziel sei eine Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit.
Kontroverse Debatte zu Tarifverhandlungen
Kontrovers diskutiert wurden gestern zudem die Tarifverhandlungen. So äußerten einige Mitglieder des MB Kritik zur kürzlich erfolgten TDL-Tarifeinigung. Man habe Äpfel gefordert und Birnen bekommen, beklagte unter anderem Katrina Binder aus Baden-Württemberg. Das Ergebnis der Einigung wurde schlecht kommuniziert, so Binder.
Die Delegierten beschlossen nach langer Debatte einen Antrag, der die Partizipation der MB-Mitglieder künftig stärken solle. So sollen bei zukünftigen Tarifabschlüssen des Marburger Bundes vor Annahme durch die Große Tarifkommission eine Partizipation der Mitglieder in geeigneter Form erfolgen. Dazu würden sich etwa MB-interne Netzwerktreffen oder Mitgliederbefragungen eignen. Eine ausreichend lange Erklärungsfrist müsse eingeplant werden.
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