Medizinalcannabis darf noch bis Ende April auf BtM-Rezepten verordnet werden

Berlin – Ärzte können medizinisches Cannabis nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) noch bis Ende des Monats über Betäubungsmittelrezepte verordnen, obwohl es rechtlich bereits seit dem 1. April kein Betäubungsmittel (BtM) mehr ist. Grund ist das kurzfristige Inkrafttreten des Cannabisgesetzes.
Die ungewöhnlich kurze Frist zwischen der finalen Debatte des Gesetzes im Bundesrat am 22. März und seinem Inkrafttreten am 1. April hat bei der Verordnung von medizinischem Cannabis und Dronabinol für eine technisch-regulatorische Lücke gesorgt.
Die Hersteller von Warenwirtschaftssystemen in Apotheken müssen arzneimittelrechtliche Änderungen in den Systemen bis zum 15. eines Monats an die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA) melden, damit sie zum Folgemonat in Kraft treten können.
Die IFA ist der zentrale Informationsdienstleister im Arzneimittelmarkt, der unter anderem auch die Pharmazentralnummern (PZN) vergibt. Ihre Gesellschafter sind die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro).
Aufgrund der Meldefrist, die von den Softwareanbietern gar nicht eingehalten werden konnte, sind Cannabis und Dronabinol im ABDA-Artikelstamm noch bis zum 1. Mai als BtM gekennzeichnet. Den Systemen zufolge müssen sie deshalb auf BtM-Rezepten verordnet werden, da dies auf Muster-16-Rezepten nicht erlaubt und mit E-Rezepten noch nicht möglich ist.
Nach neuer Rechtslage ist das aber eigentlich nicht erlaubt. Denn laut Paragraf 8 Abs. 1 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) darf ein BtM-Rezept nur dann für das Verschreiben anderer Arzneimittel verwendet werden, wenn auf demselben Rezept auch mindestens ein BtM verordnet wird.
Zur Frage, inwiefern dieses Problem auch Praxisverwaltungssysteme (PVS) betrifft, werden derzeit unterschiedliche Angaben gemacht. Das BMG teilt auf Anfrage mit, dass aufgrund der Kurzfristigkeit auch in den PVS keine rechtzeitigen Änderungen möglich gewesen seien.
Wie weit das Problem tatsächlich verbreitet ist, ist jedoch unklar: Der Bundesverband der Gesundheits-IT betont, bisher nur in Einzelfällen von der Problematik gehört zu haben. „Es ist bei uns noch nicht als Thema angekommen“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage.
Falls Fälle aufträten, in denen ein bestimmtes PVS keine normalen Rezepte oder elektronische Rezepte (E-Rezepte) über Cannabisprodukte ausstellen könne, sammele der Deutsche Apothekerverband (DAV) entsprechende Meldungen von den Landesapothekerverbänden, um mit dem GKV-Spitzenverband eine kurzfristige Lösung zu finden, erklärte die ABDA dazu auf Nachfrage.
Wenn Ärztinnen oder Ärzte nicht in der Lage seien, Cannabis oder Dronabinol in ihrem PVS regulär zu verordnen, wäre es laut ABDA vorzuziehen, wenn sie statt eines BtM- oder Muster-16-Rezepts das Freitextfeld des E-Rezepts dafür nutzen. „Das E-Rezept ist fälschungssicher – und Rückfragen bei den Ärzten wegen möglicherweise schlecht lesbarer handschriftlicher Verordnungen bleiben aus“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Das BMG verweist hingegen explizit darauf, dass BtM-Rezepte bis Ende April weiterhin für medizinisches Cannabis verwendet werden können. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stelle das sicher.
Eigentlich dürften Apotheken solche BtM-Rezepte nicht mehr bedienen, da sie mangels eines verordneten BtM gegen Paragraf 8 BtMVV verstoßen. Für die Krankenkassen wäre das ein Grund, die bediente Verordnung zu retaxieren.
Das BMG erklärt angesichts dessen jedoch, mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der ABDA und dem GKV-Spitzenverband im Austausch zu stehen. Ziel seien eine pragmatischen Lösung und der Ausschluss von Retaxationen für den April – bis zur Anpassung der Apotheken- und Praxissoftware.
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