Ärzteschaft

Mehr Zeit, heißt mehr Ärzte und mehr Pflegekräfte

  • Donnerstag, 22. Juni 2017
Rudolf Henke /Gebhardt
Rudolf Henke /Gebhardt

Berlin – In den Krankenhäusern fehlt Ärzten und Pflegepersonal Zeit, um sich ausreichend den Patienten zu widmen. Darauf hat Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes (MB), gestern Abend anlässlich des 70. Bestehens der Ärztegewerkschaft hingewiesen.

Es gehe darum, in den kurzen Verweilzeiten im Krankenhaus eine Beziehung zum Patienten aufzubauen. „Wenn man will, dass wir nicht nur entscheiden, wie das ein maschineller Algorithmus auch täte. Sondern, dass wir Verantwortung für einen Menschen übernehmen, der uns Vertrauen schenken muss, dann brauchen wir Zeit für eine persönliche Annäherung“, betonte Henke. Deshalb sei sowohl in der Pflege als auch bei den Ärzten ein personeller Zuwachs notwendig. Gelinge dies nicht, bedeute das für die Krankenhäuser nach und nach ein Vertrauenverlust der Patienten.

Länder müssen Verpflichtungen nachkommen

Henke betonte zugleich, dass er für die Schaffung von mehr Stellen in einem ersten Schritt nicht die Kliniken in der Verantwortung sieht. Vielmehr müssten die Bundesländer ihre Pflichten aus der Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern erfüllen. „Das passiert heute nicht“, sagte Henke. Die Konsequenz sei, dass Krankenhäuser Geld, das systemisch eigentlich für Ärzte und Pflegepersonalstellen gedacht sei, fehle, weil es in Gebäude und Geräte investiert werden müsse.

Henke verwies zudem darauf, dass die prekäre Situation in der Pflege auch von den Medizinern wahrgenommen werde. Es gebe Ärzte, die einen Zuwachs in der Personalausstattung in der Pflege für deren Alltagsarbeit für wichtiger hielten als ein Zuwachs der Ärztestellen, erklärte der MB-Chef. Die ganz überwiegende Mehrheit der Ärzte sei jedoch der Überzeugung, es sei in beiden Berufsgruppen nötig.

Pflege benötigt ordentliche Gewerkschaft

Unterstützung erhielt die Pflege von Henke darin, die Bildung von Pflegekammern voranzutreiben. Diese seien seiner Meinung nach im Gegensatz zu freiwilligen Vereinigungen zu bevorzugen. Was die Pflege darüber hinaus benötige sei jedoch eine „ordentliche Gewerkschaft, die die Pflege richtig vertritt“, sagte er.

Ob der MB-Chef damit an eine angedachte Neuausrichtung der Ärztegewerkschaft denkt, falls das Bundesverfassungsgericht das Tarifeinheitsgesetz nicht beanstandet, blieb gestern Abend offen. Henke hatte jedoch betont, sollten die Verfassungsrichter das Gesetz nicht kippen, sei es für den MB notwendig, über einen „Plan B“ nachzu­denken. Für diesen Fall stelle sich dem MB die Frage, wie eine Mehrheitsbildung in Krankenhäusern erreicht werden könne, sagte er. „Da wir aber überzeugt sind, dass wir den Prozess gewinnen, stellt sich diese Frage noch nicht“, sagte Henke.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) will seine Ent­schei­dung zum Tarifeinheits­gesetz (Aktenzeichen: 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16) am 11. Juli bekanntgeben. Geklagt hatten mehrere kleine Gewerkschaften, darunter der MB. Sie sehen sich durch die Reform in ihren Rechten beschnitten.

Das Gesetz regelt, dass sich bei mehreren konkurrierenden Tarifverträgen künftig diejenige Gewerkschaft durchsetzt, die in dem betroffenen Betrieb die meisten Mit­glieder hat. Die unterlegene Gewerkschaft kann sich nur anschließen und den Vertrag nach­zeich­nen.

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