Mehrheit der Krankenhäuser erwartet Defizit

München – Die Mehrheit der Krankenhäuser erwarten für das aktuelle Jahr einen Umsatzeinbruch. Das geht aus der heute veröffentlichten Roland Berger Krankenhausstudie 2020 hervor, für die das Beratungsunternehmen zwischen Ende Mai und Anfang Juni Manager von 600 Krankenhäusern in Deutschland befragte.
Demnach erwarten nur 29 Prozent der Befragten für das Jahr 2020 einen Umsatzanstieg. Im Vorjahr waren es noch 66 Prozent gewesen. 59 Prozent erwarten hingegen, dass die Umsätze stagnieren (19 Prozent im Vorjahr). Und 17 Prozent erwarten, dass die Umsätze zurückgehen (16 Prozent im Vorjahr).
57 Prozent der befragten Krankenhäuser erwarten zudem ein Defizit. Am schlechtesten sieht es dabei bei den großen Krankenhäusern aus. So rechnen 72 Prozent der Krankenhäuser mit mehr als 1.000 Betten mit einem Defizit sowie 47 Prozent der Krankenhäuser mit 500 bis 1.000 Betten und 32 Prozent der Krankenhäuser mit weniger als 500 Betten.
Auslastung bei großen Kliniken stärker zurückgegangen
Ein Grund dafür ist, dass in den großen Krankenhäusern die Auslastung in der Pandemie stärker zurückgegangen ist als in den kleineren. Bei Krankenhäusern mit mehr als 1.000 Betten ging die Auslastung auf Normalstationen um 37 Prozent und auf Intensivstationen um 27 Prozent zurück.
Bei den Krankenhäusern mit 500 bis 1.000 Betten ging die Auslastung auf Normalstationen hingegen um 32 Prozent und auf Intensivstationen um sechs Prozent zurück. Bei Krankenhäusern mit weniger als 500 Betten sank die Auslastung in der Krise um 35 Prozent auf den Normalstationen und um 15 Prozent auf den Intensivstationen.
Zudem haben sich Krankenhäuser mit 500 bis 1.000 Betten derweil dem Vorkrisenniveau wieder stark angenähert. Nach eigenen Angaben haben sie auf den Intensivstationen zu 100 Prozent und auf den Normalstationen zu 89 Prozent das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Bei den Krankenhäusern mit mehr als 1.000 Betten liegen die entsprechenden Werte bei 87 beziehungsweise 86 Prozent.
Zudem gaben 75 Prozent der Krankenhäuser mit mehr als 1.000 Betten an, dass die Pauschale von 560 Euro, die Krankenhäuser seit April für die Freihaltung von Betten erhalten, nicht ausreicht, um Erlösausfälle zu kompensieren.
Bei Krankenhäusern mit 500 bis 1.000 Betten machten 57 Prozent diese Angabe, bei Krankenhäusern mit weniger als 500 Betten 52 Prozent. Mittlerweile wird die Freihaltepauschale je nach Größe des Krankenhauses gestaffelt: Große Krankenhäuser erhalten 760 Euro, kleine 360 Euro.
Konsolidierung wird sich beschleunigen

Etwa drei Viertel der befragten Manager gehen davon aus, dass sich die Digitalisierung der Krankenhäuser infolge der Pandemie beschleunigen wird. Jeweils etwa die Hälfte der Befragten erklärte, der Rückgang stationärer Fallzahlen werde sich beschleunigen sowie die Ambulantisierung der Medizin. Eine Beschleunigung der Konsolidierung des Krankenhausmarktes erwartet etwa ein Viertel. Eine Beschleunigung der Privatisierung wird hingegen nicht erwartet.
„Für umfassende Lehren aus der Coronakrise ist es noch zu früh“, heißt es in der Studie. „Eine Mehrheit der Befragten gibt aber an, die Beschaffungsstrategie künftig ändern zu wollen. Um Lieferengpässen besser vorzubeugen, sollen einerseits die Lagerbestände erhöht werden. Andererseits wollen viele Krankenhäuser in Zukunft vermehrt auf nationale und regionale Lieferanten setzen.“
Gute Ergebnisse bei Verbundhäusern
Die Manager der Krankenhäuser wurden in der Umfrage auch nach dem abgelaufenen Geschäftsjahr befragt. Demnach konnten im vergangenen Jahr 67 Prozent der Krankenhäuser ihre Umsätze steigern. Bei elf Prozent blieben die Umsätze konstant, bei 22 Prozent gingen sie zurück.
Bereits 2019 verschlechterte sich damit die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser. Denn im Jahr 2018 hatten noch 78 Prozent der Häuser ihren Umsatz gesteigert, während der Umsatz bei nur neun Prozent zurückgegangen war.
Gut schnitten im vergangenen Jahr vor allem Krankenhäuser ab, die Teil eines Verbunds sind. Während 48 Prozent aller Krankenhäuser im Jahr 2019 einen Überschuss erzielten, waren es bei den Verbund-Krankenhäusern 66 Prozent, bei den Nicht-Verbund-Krankenhäuser hingegen nur 38 Prozent. Umgekehrt verzeichneten 24 Prozent der Verbund-Krankenhäuser ein Defizit, während es bei den Nicht-Verbund-Krankenhäusern 38 Prozent waren.
Viele kommunale Häuser in den roten Zahlen
„Die Organisationsstruktur eines Krankenhauses wird immer wichtiger“, kommentiert Roland Berger. „Sehr oft entscheidet sie darüber, ob ein Haus schwarze Zahlen schreibt oder nicht. Wegen Synergien im Beschaffungsbereich und anderer Kostenvorteile fiel der Anteil der Häuser mit einem Geschäftsüberschuss unter den Verbundkliniken signifikant höher aus als unter den eigenständigen Kliniken.“
Ein Defizit erreichten im vergangen Jahr zudem insbesondere kommunale Krankenhäuser. 41 Prozent von ihnen schrieben 2019 rote Zahlen. Bei den freigemeinnützigen waren es 17 Prozent, bei den privaten elf Prozent. Einen Überschuss erwirtschafteten hingegen 67 Prozent der privaten Krankenhäuser, 61 Prozent der freigemeinnützigen und 41 Prozent der kommunalen.
Effizienzsteigerungen bei der Auslastung des Personals
53 Prozent der Krankenhäuser befinden sich derzeit in einer Phase der Ergebnisverbesserung. Dabei wollen 86 Prozent ihre stationären Erlöse steigern. „Mit dem globalen Trend sinkender Fallzahlen im stationären Bereich verträgt sich das nur bedingt“, schreibt Roland Berger. „Viele Krankenhäuser glauben aber, dass sie im Verdrängungswettbewerb gegenüber anderen Häusern einen Vorteil haben – eine optimistische Annahme.“
63 Prozent wollen zudem den medizinischen Sachbedarf reduzieren. Und 49 Prozent der Krankenhäuser planen eine Reduktion der Personalkosten. Ambulante Erlöse wollen 42 Prozent der Krankenhäuser steigern. Eine Steigerung von Fördermitteln und Spenden planen 20 Prozent.
Zudem verspricht sich eine Mehrheit von 81 Prozent steigende Erlöse durch neue Verbundstrukturen und eine Ausweitung bestehender Kooperationen. „Auch im medizinischen Bereich, etwa bei der Auslastung des Personals, sehen die Befragten weitere Chancen zur Effizienzsteigerung“, heißt es in der Studie.
Roland Berger rät den Krankenhäusern dazu, ihre Wachstumsstrategie zu hinterfragen und sich realistische Ziele zu setzen. „Mehr denn je muss bei der Medizinstrategie untersucht werden, wo die Nachfrage im stationären Bereich am stärksten wegbricht und wo die Ergänzung des eigenen ambulanten Angebots sinnvoll ist“, erklärt das Unternehmen. „Die Politik muss in diesem Zuge für eine attraktivere Vergütungsstruktur von ambulanten Behandlungen sorgen.“
Zudem müssten die Krankenhäuser auf die „neue Realität“ des stagnierenden Wachstums mit einer höheren Flexibilisierung der Kosten reagieren. Kosten, zum Beispiel auch für Infrastruktur, sollten kurzfristig an veränderte Leistungsniveaus angepasst werden können. „Im ambulanten Bereich müssen sich Prozesse und Kostenstrukturen am ambulanten Sektor orientieren, um nachhaltig erfolgreich sein zu können“, so Roland Berger.
Darüber hinaus würden sich Kooperationen mit benachbarten Kliniken oder eine noch stärkere Zusammenarbeit mit Kliniken aus dem eigenen Verbund lohnen. Beides sollte forciert werden. Schließlich ständen viele Kliniken vor der Mammutaufgabe, ihr Geschäftsmodell fit für das Digitalzeitalter zu machen. „Entmutigen lassen sollten sie sich dadurch nicht“, meint Roland Berger. „Unser Rat: Statt mit dem großen Sprung lieber mit kleinen konsequenten Schritten anfangen.“
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