Ärzteschaft

Modellprojekt zur Versorgung Schwerstkranker kommt gut an

  • Mittwoch, 5. Juli 2017

Düsseldorf – Das Modell einer berufsgruppenübergreifenden Fortbildung zur Versor­gung schwerstkranker und sterbender Menschen kommt bei Ärzten, Pflegenden und medizinischen Fachangestellten (MFA), aber auch bei Patienten im Rheinland gut an. Das geht aus dem Abschlussbericht zum zweijährigen Pilotprojekt hervor, den Ärzte­kammer Nordrhein (ÄKNO), Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO), Pflegerat NRW und Verband medizinischer Fachberufe vorgestellt haben.

„15 von 17 Befragten haben gesagt, dass sie durch das Schulungsprogramm einen Wissenszuwachs hatten“, nannte Rudolf Henke ein Ergebnis aus dem Bericht. „Nur zwei Befragte haben gesagt, ihr Wissen sei gleich geblieben“, so der Präsident der ÄKNO weiter. Außerdem hätten zwölf der 17 Befragten angegeben, die Zusammenarbeit der Heilberufe sei besser geworden. Nur fünf von ihnen hätten erklärt, sie sei auch schon vorher gut gewesen. Darüber hinaus hätten zehn Teilnehmer des Projekts gesagt, sie fühlten sich nach der Schulung sicherer in der Versorgung Schwerstkranker. Sechs hätten angegeben, sie hätten sich auch schon vorher sicher gefühlt.

„Die Zahlen sind zwar klein und deswegen weiß ich auch nicht, ob man daraus wissen­schaftliche Schlüsse ziehen kann. Aber sie zeigen doch einen klaren Trend“, kommen­tierte Henke das Ergebnis. Nicht ganz so klar ist dieser Trend allerdings bei der Kommu­ni­kation mit Patienten und ihren Angehörigen. Etwa jeder vierte Teilnehmer habe ein halbes Jahr nach der Schulung angegeben, dass er mehr Probleme als vorher hat, mit Schwerstkranken zu sprechen. Im Hinblick auf die Angehörigen habe das sogar jeder dritte Teilnehmer gesagt. Trotzdem empfahl der Ärztepräsident, die Schulungs­reihe fortzuführen und auszuweiten.

Reaktionen von Schwerstkranken besser verstehen

In dem Programm trainieren Ärzte, Pflegende und MFA gemeinsam, wie sie emotionale Reaktionen von Schwerstkranken besser verstehen können, um angemessen damit umgehen und darauf reagieren zu können. Außerdem sprechen sie über Anzeichen für Überlastung und Burnout, aber auch über Möglichkeiten zur Entspannung und Regeneration.

„Wir wissen ja, dass die Belastung für Menschen, die mit Sterbenden zu tun haben, sehr groß ist“, sagte Frank Bergmann. „Ärzte, Pflegepersonal und medizinischen Fach­ange­stellte haben ein hohes Risiko, selbst zu erkranken und daran zu leiden“, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der KVNO. Daher sei es für die Beteiligten etwas ganz Wesent­liches, sich untereinander auszutauschen.

Er erhoffe sich auch, dass es durch das Schulungsprogramm zu einem ähnlichen Para­dig­menwechsel in der Palliativmedizin kommt, ähnlich wie vor Jahren in der Psychia­trie. Dort seien Pflegende inzwischen gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten an der Versorgung der Patienten beteiligt und würden sich auf Augenhöhe austauschen.

Bergmann, selbst Neurologe und Psychiater, sprach sich dafür aus, das Projekt als reguläre Fortbildung flächendeckend im Rheinland einzuführen. Allerdings sei die Frage der Finanzierung ungeklärt. Bei Modellprojekten sei diese meist kein Problem, zumal die Schulungsreihe während des Projektzeitraums von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wurde. „Möglicherweise muss man die Qualitätszirkel bei den Hausärzten als Kristallisationspunkt nehmen“, schlug er vor.

Auf Augenhöhe miteinander kommunizieren

Davon überzeugt, „dass es zwingend nötig ist, das Projekt in die Fläche zu bringen“, ist Ludger Risse. „Das Projekt hat deutlich gezeigt, dass es möglich ist, dass man Aufgaben gemeinsam ganz anders bewältigen kann“, erläuterte der Vorsitzende des Pflegerats Nordrhein-Westfalen (NRW). Wichtig sei das vor allem im Hinblick auf die immer wieder geforderte Qualität der Versorgung. Gute Qualität gebe es aber nur, wenn alle Berufsgruppen, die die Patienten versorgen, die gleichen Ziele haben und gemeinsam auf Augenhöhe kommunizieren.

„Das fällt nicht vom Himmel, sondern das Projekt hat auch gezeigt, dass man investie­ren muss.“ Die Pflege sei die Berufsgruppe, die am dichtesten an den Patienten und ihren Angehörigen ist. Sie sei die Verbindungsstelle für Informationen, die zwischen Patient, Angehörigen und Arzt fließen. Das Projekt belegt Risse zufolge auch, dass es noch viel zu verbessern gibt. So würden die Sektorengrenzen die Versorgung immer noch erschweren.

Als Beispiel nannte der gelernte Krankenpfleger die Entlassung eines Patienten aus dem Krankenhaus. „Das kann nur gut funktionieren, wenn alle – Ärzte, Pflege und medizinische Fachangestellte – wissen, wo es hingehen muss.“ Ein anderes Problem ist seiner Ansicht nach die zeitliche Befristung der spezialisierten Palliativversorgung, insbesondere wenn die Schwerstkranken und Sterbenden zuhause versorgt werden.

Schulung soll flächendeckend eingeführt werden

Gerade in der ambulanten Versorgung sind die MFA eine weitere wichtige Verbin­dungs­stelle zwischen Arzt, Pflegenden, Patienten und Angehörigen. „Wir sind oft die Mittler. Wir nehmen viel wahr“, sagte Hannelore König. „Patienten und Angehörige sprechen uns meist als erste an“, schilderte die 1. Vorsitzende des geschäftsführenden Vorstands des Verbands medizinischer Fachberufe.

MFA in palliativmedizinischen Praxen hätten oft schon viel Routine im Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden. „Aber in der Versorgung dieser Patienten machen auch viele Hausarztpraxen mit und da gibt es noch lange keine Routine“, stellte sie klar. Ihrer Ansicht nach ist es falsch zu warten, bis Inhalte des Schulungsprogramms wie etwa Haltung, Umgang mit Krankheit, Kommunikation mit Angehörigen und Umgang mit Trauer in die Ausbildungsordnung für MFA eingeflossen sind. Das müsse vielmehr schon jetzt in Fortbildungen berufsgruppenübergreifend gelebt werden. Daher plädierte auch sie dafür, das Projekt als reguläre Fortbildung weiter- und flächen­deckend einzuführen, das seit dem 1. September 2015 in Nettetal im Kreis Viersen, einer ländlich geprägten Region, erprobt wurde.

Teilgenommen haben Klinik- und niedergelassene Ärzte, Pflegepersonal aus Klinik und von ambulanten Pflegediensten sowie MFA. Der Ärztlicher Direktor der Klinik für Palliativmedizin der Uniklinik RWTH Aachen, Roman Rolke, empfahl ein Folgeprojekt, das die erworbenen Fähigkeiten der Teilnehmer wissenschaftlich begleitet und ihre Wirkung auf Patienten und Angehörige analysiert, und um zu prüfen, wie die Schulung am besten flächendeckend ausgeweitet werden kann. Denn ab 2018 soll sie auch in weiteren Regionen des Rheinlands starten.

ts

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