Politik

Notfallversorgung: Bundesregierung befürwortet Einführung digitaler Assistenzsysteme

  • Donnerstag, 5. September 2019
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Berlin – Die Entwicklung von Systemen zur computerbasierten Unterstützung ärztlicher Diagnosestellung sei grundsätzlich positiv zu bewerten. Das schreibt die Bundesregie­rung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion.

Insbesondere in der Notfallver­sorgung sei eine standardisierte medizinische Erstein­schät­zung wichtig, damit medizi­nisch geschultes Personal Patienten schnell in die medi­zinisch gebotene Versor­gungs­ebene leiten könne. Die Ersteinschätzungssysteme sollten sowohl im Rahmen einer telefonischen Steuerung in den geplanten Gemeinsamen Not­fallleitstellen als auch in den künftigen Integrierten Notfallzentren genutzt werden.

Die Regierung betont in der Antwort jedoch ausdrücklich, dass die ärztliche Diagnose durch algorithmengestützte digitale Systeme nicht ersetzt werden könne. Die Systeme sollten Ärzte lediglich unterstützen. Ob der Einsatz solcher Assistenzsysteme die Notfall­versorgung effizienter und kostengünstiger mache, sei zurzeit noch nicht quantifizierbar.

Die Bundesregierung stellt in ihrer Antwort auch klar, dass algorithmengestützte digitale Anamnese- und Diagnose-Assistenzsysteme den Bestimmungen des europaweit harmoni­sierten Medizinprodukterechts unterliegen und eine CE-Zertifizierung beispielsweise durch den TÜV oder die DEKRA benötigen.

Apps verordnen

Um den Zugang von Patienten zu digitalen Anwendungen zu erleichtern, soll es Ärzten mit dem geplanten Digitale-Versorgung-Gesetz ermöglicht werden, digitale Anwendun­gen wie Apps zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verordnen.

Verordnungsfähig wären dann sämtliche Anwendungen der relativ niedrigen Risikoklass­en I und IIa, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in ein entspre­chendes Verzeichnis aufgenommen hat, weil die maßgeblichen Anforderungen an Sicher­heit, Funktionstauglichkeit, Qualität sowie Datenschutz und Datensicherheit erfüllt sind und diese einen positiven Versorgungseffekt nachweisen können.

Zu viele Patienten gehen unnötigerweise in die Notaufnahmen

Hintergrund der Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion ist die geplante Reform der Notfallver­sorgung. Denn noch immer suchen zu viele Patienten die Notaufnahmen der Kranken­häu­ser auf, die ebenso gut durch den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst versorgt werden könnten. Das führt vielfach zu langen Wartezeiten und zur Unzufriedenheit bei den Pa­tien­ten sowie zur Überlastung von Ärzten und Pflegepersonal.

„Wir müssen in der Tat die Notfallversorgung in Deutschland reformieren und damit den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst, die Rettungsdienste und die Notaufnahmen bun­des­weit verzahnen“, erklärte der Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss, Andrew Ullmann.

Algorithmengestützte digitale Systeme seien heute schon in der Lage, eine gute Erstein­schätzung abzugeben, ob Patienten eine Notaufnahme aufsuchen sollten oder überhaupt ärztliche Hilfe benötigten. Solche digitalen Innovationen müssten bei der Reform der Not­fallversorgung unbedingt mitgedacht werden. Unerträglich sei jedoch, dass das Heil­praktikergesetz von 1939 die Nutzung von Diagnose-Apps behindere. Danach dürfen nur Ärzte und anerkannte Heilpraktiker Diagnosen stellen.

Kassenärzte erproben bereits seit Mai ein Ersteinschätzungssystem

Im Rahmen der geplanten Reform der Notfallversorgung hatte bereits im Mai dieses Jah­res das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die „strukturierte medizi­ni­sche Ersteinschätzung in Deutschland“ (SmED) vorgestellt, die die Disponenten in den Call Centern und das medizinische Personal an den geplanten zentralen Anlaufstellen für Notfallpatienten dabei unterstützen soll, die Dringlichkeit einer Behandlung einzuschät­zen und den Patienten in die geeignete Versorgungsebene zu leiten.

SmED geht auf ein Modell aus der Schweiz zurück, das an deutsche Verhältnisse ange­passt wurde und zurzeit in mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erprobt wird. Der Patient wird dabei nach einheitlichen Standards nach Symptomen, Vorerkrankungen und Risikofaktoren gefragt. Am Ende stehe aber keine Diagnose, sondern eine Einschät­zung der Dringlichkeit der Behandlung, betonte Zi-Geschäftsführer Dominik von Stillfried. Bis Ende 2020 sollen auch Patienten SmED über eine App nutzen können.

HK

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