Ärzteschaft

Nutzen schwer feststellbar: DGIM untersucht DiGA

  • Dienstag, 6. Dezember 2022
/ipopba, stock.adobe.com
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Berlin – Der tatsächliche Nutzen Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) lässt sich zumindest in der Inneren Medizin mangels Versorgungsdaten noch nicht ausreichend belegen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Es habe sich darüber hinaus, dass die Untersuchung von DiGA in wissenschaftlichen Studien auch deshalb herausfordernd ist, weil es sich häufig um komplexe Interventionen handelt, in deren Erfolg auch Faktoren der Anwender und Verordner einfließen.

Die DGIM-Arbeitsgruppe „Digitale Gesundheitsanwendungen/KI in Leitlinien“ um Martin Möckel war in ihrer Untersuchung Fragen wie der nach dem Nutzen von DiGA bei der Verringerung des Bauchumfangs, der Senkung des Langzeit-Blutzuckers oder der Reduktion der Schwere von Reizdarm-Symptomen nachgegangen.

Das sei eine Herausforderung gewesen, da bei der Anwendung viele Aspekte ineinandergreifen. „Dazu zählen beispielsweise die Motivation und die technischen Fähigkeiten der Anwendenden oder aber die Fähigkeit der Verordnenden, die DiGA und ihren Nutzen zu erklären“, erklärt Möckel, der Ärztlicher Leiter der Notfallmedizin und der Chest Pain Units am Campus Mitte und am Virchow-Klinikum sowie Prodekan für Studium und Lehre der Berliner Charité ist.

Derzeit sind 34 DiGA im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet, davon sechs für internistische Krankheitsbilder. Viele von ihnen haben allerdings nur eine vorläufige Zulassung, vier haben die sogar bereits wieder verloren.

Um dauerhaft zugelassen zu werden, müssen DiGA-Anbieter in Studien einen medizinischen Nutzen oder eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung nachweisen.

Diese Vorgabe stelle besondere Anforderungen an das Studiendesign, weshalb die DGIM-Arbeitsgruppe für ihren kürzlich in der Fachzeitschrift „Die Innere Medizin“ erschienenen Beitrag (2022, DOI: 10.1007/s00108-022-01429-2) die Designs verschiedener laufender DiGA-Zulassungsstudien ausgewertet und mit methodischen Überlegungen abgeglichen hat.

Belastbare Outcome-Parameter können dabei laut der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung auch eine Verkürzung von Wartezeiten, ein vereinfachter Zugang zu medizinischen Leistungen, eine Steigerung der Therapietreue und weitere Aspekte umfassen. Auch die Studientypen können variieren.

„Aus unserer Sicht eignen sich prospektive, idealerweise randomisierte und kontrollierte Interventionsstudien am ehesten, um unmittelbare Effekte einer DiGA nachzuweisen“, erklärt Möckel. Dabei erhält eine Interventionsgruppe Zugang zu einer bestimmten Gesundheits-App. Ihr gegenüber steht eine Vergleichsgruppe, die nach den Vorgaben entweder eine Behandlung ohne digitale Unterstützung, gar keine Behandlung oder eine vergleichbare DiGA erhält.

Für die Interpretation der Ergebnisse sei es wichtig, dass die Methodik präzise berichtet und diskutiert und auch das Nutzungsverhalten der Studienteilnehmenden ausführlich dargestellt wird, betont Möckel.

Außerdem gebe es beim Studiendesign weitere Aspekte zu beachten, die die Aussagekraft der Ergebnisse beeinflussen. Dazu gehören etwa die Auswahl der Probandinnen und Probanden, die Definition der Endpunkte oder die mögliche Abbruch-Rate unter den Studienteilnehmenden.

Anders als Arzneimittelstudien können die darauffolgenden Phase-IV-Studien auch durch die Krankenkassen durchgeführt und in nationalen und internationalen Journalen publiziert werden. „Wie die Krankenkassen würden auch wir es begrüßen, wenn es einheitliche und anerkannte Standards zur Durchführung und Bewertung der Studien gäbe“, sagt Möckel und verweist auf den DiGA-Report 2022 der Techniker Krankenkasse.

Aus wissenschaftlicher Perspektive sei der Forschungsbedarf zu digitalen Gesundheitsanwendungen sehr groß. Es lägen insgesamt noch wenige Daten zum Nutzen der internistischen DiGA vor. Auch über ihre Wirksamkeit in der Routineanwendung wisse man noch zu wenig, da noch keine Untersuchungen etwa auf Basis von Abrechnungsdaten veröffentlicht wurden.

„Es ist nun Aufgabe der Hersteller der digitalen Gesundheitsanwendungen, diese Lücke zu schließen und den medizinischen Nutzen nach hohen wissenschaftlichen Standards nachzuweisen“, sagt Möckel. „Wenn ihnen das gelingt, könnten DiGA als eine niederschwellige, moderne und evidenzbasierte Therapie-Option die Versorgung sinnvoll ergänzen“, ergänzt der aktuelle DGIM-Vorsitzende Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim.

lau

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